Als Ende der Woche der Schriftsteller Martin Walser starb, zeigten ihn die Bilder zu den Nachrufen oft am Ufer des Bodensees, als knorrigen alten Mann mit Hut, verwachsen mit seiner Herkunftswelt. Wenige Wochen zuvor hatte in Berlin eine Gedenkveranstaltung für den Ende November 2022 verstorbenen Hans Magnus Enzensberger stattgefunden, der 93 Jahre alt geworden war. Nichts wäre leichter, als die beiden in ein Kontrastbild einzuzeichnen. Auf der einen Seite der Kosmopolit Enzensberger, der das Deutschsein mit lässiger Geste ausschlägt, in die restaurationsgefährdete Nachkriegsgesellschaft die Frischluft der vom NS-Staat verbannten internationalen ästhetischen Moderne einfahren lässt und in seinen Essays demonstriert, wozu kühle, respektlose analytische Intelligenz imstande ist. Auf der anderen Seite Martin Walser, der mit seinen Figuren die Neigung zu Selbstzweifel und die Unkontrollierbarkeit der Gefühle teilt, der mit seinem Deutschsein hadert, es aber nie zur Disposition stellt und gegen die deutsche Teilung zu rebellieren beginnt, als sich die Mehrheit der Intellektuellen mit ihr abgefunden hat.
Deutschland:Literatur ist Sache der Öffentlichkeit
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Der Tod des Schriftstellers Martin Walser erinnert daran, wie sehr die Kriegsgeneration die Debattenlandschaft geprägt hat. Inzwischen haben jüngere Literatinnen und Literaten mit ganz unterschiedlichen Prägungen ihre Plätze eingenommen.
Kommentar von Lothar Müller
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