Europa:Der Mann, der nicht Präsident werden will

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Manfred Weber will Chef der Europäischen Volkspartei Parlament werden. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Manfred Weber möchte Fraktionschef der Europäischen Volkspartei bleiben - und zusätzlich Vorsitzender der Parteienfamilie werden. Den Wechsel an die Spitze des EU-Parlaments lehnt er nun definitiv ab.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Endlich hat er sich entschieden. Manfred Weber, 49, kandidiert nicht als Präsident des Europaparlaments. Das Amt steht den Christdemokraten für die zweite Hälfte der Legislaturperiode zu, dies war nach der Europawahl 2019 mit Sozialdemokraten und Liberalen vereinbart worden. Lange galt es in Brüssel als ausgemacht, dass der prestigereiche Posten für Weber reserviert sei, nachdem der Spitzenkandidat der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) nicht Präsident der EU-Kommission wurde. 2019 hatten dies vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der Ungar Viktor Orbán verhindert.

Doch nun wie einst Martin Schulz das Gesicht des Europaparlaments werden? Und sich damit für Weiteres empfehlen? Diesen Weg wagt der CSU-Politiker nicht. Stattdessen will er sich im Oktober als Chef der EVP-Fraktion bestätigen lassen und im April zudem Vorsitzender der EVP-Parteienfamilie werden. Diesen Posten hat noch Donald Tusk inne, doch Polens früherer Premier kehrt in die Innenpolitik seines Landes zurück, um als proeuropäische Alternative die nationalpopulistische PiS-Partei zu besiegen. Weber bewundert diesen Mut, sagt er - und will selbst die Christdemokraten "in einer herausfordernden Zeit stärken und eine Zukunftsagenda entwerfen". Um die Demokratie in Europa zu verteidigen, brauche es starke konservative Parteien, sagt er.

Auf Ebene eines Staates ist es normal, dass dieselbe Person sowohl die Partei als auch die Fraktion anführt. Ein solches Modell auf EU-Ebene könnte die Macht der EVP steigern, denn die größte Fraktion ist zentral für jede Gesetzgebung. Als Parteivorsitzender wäre Weber auch dabei, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Christdemokraten jeweils vor den EU-Gipfeln beraten. Mehr Aufmerksamkeit erhält jedoch der Parlamentspräsident, der zu Beginn eines jeden Gipfels intern die Prioritäten der Abgeordneten erläutert und danach vor die Journalisten tritt. Auch Staats- und Regierungschefs besuchen gerne das Parlament in Brüssel und Straßburg, das allen Handelsverträgen zustimmen muss und sich traditionell stark für Menschenrechte einsetzt.

Minister in Berlin? Er könnte das. Aber wird es nicht

Weber ist ein Mensch, der als ebenso verlässlich wie zögerlich bekannt ist. Dass er die Bühne scheut, die ein Parlamentspräsident hat, wird in Brüssel mit mehreren Faktoren erklärt. So war er wohl unsicher, eine Mehrheit unter den 705 Abgeordneten zu finden. Immer lauter wurde das Grummeln, dass nach Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein weiterer christdemokratischer Deutscher ein Spitzenamt kriegen soll. Hinzu kommt, dass 2024, nach der nächsten Europawahl, wohl eine andere Person an die Spitze des Parlaments gewählt wird - mehr als eine Amtszeit ist für einen Amtsinhaber nur selten möglich. Mit 52 Jahren wäre Weber dann womöglich einfacher Abgeordneter.

Wenn er parallel zur Tusk-Nachfolge den Fraktionsvorsitz behalten kann, hört sich das hingegen nach einer Perspektive an. Eine Zeit lang wurde spekuliert, er habe nur deshalb über seine Pläne geschwiegen, weil er für die CSU in eine künftige Bundesregierung eintreten wolle. Sollte das so gewesen sein, so hatte Markus Söder diese Pläne schon im Juli beendet: Der CSU-Chef versprach seinen Bundestagsabgeordneten, dass niemand "von außen" ins Kabinett entsandt würde. Dass Weber ohne Probleme ein Ministerium leiten könnte, gilt in der Partei als unstrittig. Allerdings wird ihm vorgehalten, sich zu lange als Opfer von Macron und Orbán inszeniert und nach von der Leyens Wahl "aus falschem Stolz" einen Wechsel nach Berlin nicht mal sondiert zu haben. Das mag auch an seiner Leidenschaft für Europa liegen, die in Brüssel und Straßburg weiter zu spüren ist. Bisher hat noch niemand aus den eigenen Reihen erklärt, Weber herauszufordern. Doch riskieren will er nichts: Seit Wochen wirbt er in Telefonaten für sich.

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