Süddeutsche Zeitung

Maike Kohl-Richter:Wie eine Löwin vor der Höhle

Die CDU will ein Helmut-Kohl-Zentrum in Berlin gründen, dessen Witwe ist vehement dagegen und plädiert für die Pfalz. Aus der Frage, welchen Platz der einstige Kanzler eines Tages in der großen Geschichte einnehmen wird, ist damit endgültig eine Schlammschlacht geworden.

Von Boris Herrmann

Die Frau, die offenbar glaubt, ihren Kanzler ganz alleine für sich haben zu können, hat über ihre Anwälte gerade den Satz verbreiten lassen: "Wer mich beurteilen will, kann mich am leichtesten beurteilen, wenn er meine Herkunft nachvollzieht." Dabei handelt es sich um ein altes Zitat eben dieses früheren Kanzlers, ihres 2017 verstorbenen Ehemanns Helmut Kohl. Gerne würde man ihn heute noch einmal fragen, ob er das mit der Herkunft wirklich so wörtlich örtlich gemeint hat oder ob es nicht doch eher um seine Sozialisation als katholisch-konservatives Kriegskind ging. Die Witwe, Alleinerbin und Gralshüterin Maike Kohl-Richter, 57, begründet mit dem Zitat jedenfalls, weshalb eine Helmut-Kohl-Stiftung aus ihrer Sicht zwingend in dessen "pfälzische Heimat" gehört. Sie hätte auch sagen können: in den einstigen Kanzlerbungalow nach Oggersheim, den sie bis heute zusammen mit ein paar Hundert Ordnern Kohlnachlass bewohnt, in ihre Obhut also.

Die CDU hat sich anders entschieden. Sie will das Erbe ihres ehemaligen Ehrenvorsitzenden in Berlin ehren. In der Nacht zum Freitag beschloss der Bundestag auf Initiative der Christdemokraten die Gründung eines Kohl-Zentrums an einem repräsentativen Ort in der Hauptstadt. Den Segen der Witwe haben sie dafür nicht, trotz beständiger Bemühungen. Die elfseitige Presseerklärung, mit der Kohl-Richter ihre Ablehnung dokumentierte, liest sich wie eine kleine Geschichte ihres finalen Bruchs mit der CDU-Spitze. Aus der Frage, welchen Platz Helmut Kohl eines Tages in der großen Geschichte einnehmen wird, ist damit endgültig eine Schlammschlacht geworden.

Vielleicht hilft es bei der Beurteilung Maike Kohl-Richters, wenn man ihre Herkunft noch einmal beleuchtet. Sie stammt aus dem Dorf Oberheuslingen bei Siegen. Aber sie lebte als Au-Pair in London, als Studentin in München und machte als promovierte Volkswirtin in zwei deutschen Hauptstädten Karriere. Mitte der Neunziger war sie Redenschreiberin im Bonner Kanzleramt - unter Kohl. Nach dessen Abwahl 1998 zog sie mit dem Politbetrieb nach Berlin um. Sie arbeitete im Büro von Friedrich Merz und später als Referatsleiterin im Wirtschaftsministerium. Man kann wohl sagen, sie habe für ihre Liebe zum 34 Jahre älteren Altkanzler eine Laufbahn geopfert.

Die mildeste Kritik an Kohl wertet sie als Verrat

Ende 2004, als sie offiziell noch kein Paar waren, sahen sie in einem Hotel auf Sri Lanka den Tsunami auf sich zurollen. Vielleicht war das der schicksalhafte Moment, der sie für immer verband, bis der Tod sie schied und darüber hinaus.

Sie war die zweite Frau im Leben des Patriarchen. Die erste, Hannelore Kohl, hatte sich 2001 in jenem Bungalow das Leben genommen, in den sie später einzog, um ihm beizustehen. Sie hat ihn nach seinem Sturz auf der Kellertreppe neun Jahre lang gepflegt. Sie heirateten 2008 in einer Klinikkapelle. Noch die mildeste Kritik an ihrem einst so wuchtigen Mann wertet Kohl-Richter seither als Verrat. In ihrer jüngsten Erklärung ist stets von der "sogenannten Spendenaffäre" die Rede.

Als Privatmensch hinterließ der Kanzler der Einheit vor allem Zwietracht. Seine Söhne waren nicht auf seiner Beerdigung. Viele, die ihn kannten und schätzten, hatten schon in seinen letzten Lebensjahren das Gefühl, Maike Kohl-Richter habe ihn wegisoliert. Und jetzt, da es um das politische Vermächtnis geht, wird sie aus der Partei als die Witwe beschrieben, die wie eine Löwin vor der Höhle sitzt, um kein Kohl-Bild herauszulassen, das nicht ihrem Bild entspricht.

Maike Kohl-Richter trat einst im Siegerland in die Junge Union ein und ist trotz allem weiterhin CDU-Mitglied, Kreisverband Ludwighafen. Die Kontaktadresse auf ihrer Webseite lautet: "Büro Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl". Sie begreift sich offenbar nicht nur als die letzte Instanz ihres Kanzlers, sondern auch als die Büroleiterin eines Verstorbenen.

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