Süddeutsche Zeitung

Lufthansa:Dieser Streik war gut

Lesezeit: 2 min

Mit ihrer brachialen Aktion hat die Gewerkschaft Verdi der Fluggesellschaft einen Dienst erwiesen: Dank dieses Tarifabschlusses fürs Bodenpersonal wird sie zu einem attraktiven Arbeitgeber.

Kommentar von Benedikt Peters

Die Gewerkschaft Verdi hat sich mit ihrem Flughafenstreik in der vergangenen Woche recht unbeliebt gemacht. Die Bild-Zeitung drosch auf ihren Chef Frank Werneke ein ("Der fiese Frank versaut uns die Ferien!"), und etliche Kunden haben sich über das Chaos geärgert, sie kamen nicht zu Geschäftsterminen oder erst später als geplant in den Urlaub. Kann man verstehen, und trotzdem: Verdi hat mit dem 26-stündigen Warnstreik genau das getan, wofür eine Gewerkschaft da ist - und das mit großem Erfolg.

Gewerkschaften sollen Arbeitnehmer schützen, für sie ein gutes Stück vom Kuchen herausholen, sich aber auch ihrer sozialen und wirtschaftlichen Verantwortung bewusst sein. Beides ist Verdi gelungen; am Ende zusammen mit dem Management der Lufthansa. Zunächst zum Geld: Der Abschluss, auf den sich Verdi und Lufthansa am späten Donnerstagabend geeinigt haben, bedeutet für das Bodenpersonal eine sehr ordentliche Gehaltserhöhung. Die Beschäftigten bekommen im Schnitt etwa 400 Euro mehr.

Das ist nicht nur schön für die Angestellten, es ist auch sozial verantwortungsvoll. Mehr als sieben Prozent beträgt die Inflationsrate, für den Winter müssen sich die Menschen außerdem auf viele Hundert Euro mehr an Strom- und Heizkosten einstellen. Gutverdiener können das wegstecken. Aber diejenigen, die bei der Lufthansa die Tickets ausstellen oder die Fracht abfertigen, sind keine Gutverdiener. Wer am Check-in anfängt, bekommt etwa 2100 Euro brutto und lebt fast immer in einer teuren Gegend. München, Frankfurt, Düsseldorf, da sind nun mal die großen Flughäfen.

Diese Leute brauchen mehr Geld, und jetzt bekommen sie es. 200 Euro mehr im Monat hat jeder der 20 000 Beschäftigten von sofort an, zwei weitere Erhöhungen gibt es im nächsten Jahr. Die Inflation wird dadurch ausgeglichen, und obendrauf gibt es noch eine Gehaltserhöhung, nachdem die Mitarbeiter in den vergangenen beiden Jahren wegen der Pandemie darauf verzichten mussten.

Das Management musste offenbar an seine Möglichkeiten erinnert werden

Auch wirtschaftlich gesehen ist das verantwortungsvoll. Ein Abschluss für 20 000 Arbeitnehmer löst keine bundesweite Lohn-Preis-Spirale aus, und leisten kann sich die Lufthansa die Gehaltserhöhungen allemal. Der erwartete Jahresgewinn liegt bei 500 Millionen Euro. Trotzdem wirkte es so, als müsste das Unternehmen während der Tarifrunde ein wenig an seine Möglichkeiten erinnert werden. Das erste Angebot fiel viel zu niedrig aus, es hätte für viele Beschäftigte die Inflation nicht sicher ausgeglichen. Deshalb war der eintägige Warnstreik richtig.

Dem Anschein nach schraubte er die Zahlungsbereitschaft der Lufthansa nach oben - und sorgte so mit dafür, dass die Tarifrunde zügig beendet wurde. Die Alternative wären weitere Streiks gewesen, und das im August, dem Monat, in dem die Lufthansa meist ihr bestes Geschäft macht. Nun muss sie dazu beitragen, dass ihr auch bei den streikbereiten Piloten schnell eine Lösung gelingt.

Von den höheren Gehältern beim Bodenpersonal wird die Lufthansa als Konzern profitieren. Das Management hat eingesehen, dass es in der Pandemie zu viele Arbeitsplätze abgebaut hat. Das führte zu gigantischen Schlangen an Flughäfen, zu Flugstreichungen und großem Stress bei der Belegschaft. Nun sollen wieder Tausende eingestellt werden, und das, obwohl es überall in Deutschland an Fachkräften mangelt. Die höheren Gehälter sind bei dieser schwierigen Suche ein gutes Argument.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5634523
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.