Süddeutsche Zeitung

Flugreisen:Der nächste Chaostag

Verdi lässt das Bodenpersonal der Lufthansa 26 Stunden lang streiken. Das ist maßlos.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Man kann es ja verstehen, das Bodenpersonal der Lufthansa. Ihr Beruf ist anstrengend. Und die Corona-Jahre waren schwierig. In der Branche wackelten massenweise Jobs. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verzichteten auf Lohnerhöhungen, während 2021 auch für sie überall die Preise zu steigen begannen. Deshalb will die Gewerkschaft Verdi für diese 20 000 Beschäftigten jetzt happige 9,5 Prozent mehr Lohn herausholen. Doch bei allem Verständnis dafür: In dieser frühen Verhandlungsphase muss Verdi noch nicht zu einem 26-Stunden-Streik greifen.

Genau dies aber plant sie für diesen Mittwoch, und viele Menschen werden es spüren. Mitten in der Urlaubssaison dürfte es Verspätungen sowie Ausfälle von Flüge geben. Und dieser Chaostag kurz vor Ferienbeginn in Baden-Württemberg ist ja kein singuläres Ereignis. Seit Wochen sind Flugpläne mehr oder weniger Angaben ohne Gewähr, weil Fluglinien und ihren Dienstleistern an vielen Stellen Leute fehlen.

Sie kommen mit dem Andrang der Kunden nicht zurecht, die endlich wieder verreisen wollen. Sie haben in der Corona-Krise Mitarbeiter entlassen, teilweise zu viele. Unabhängig von solchen Ursachen: Ist es wirklich nötig, Urlaubern am Mittwoch diesen zusätzlichen Chaostag zu bescheren?

Die Gewerkschaft argumentiert, die Lufthansa biete zu wenig Geld. Das stimmt. Eine Lohnerhöhung um 150 Euro sofort, um 100 Euro zum Jahreswechsel und um zwei Prozent in einem Jahr, sofern die Geschäfte gut laufen: Das reicht nicht für die inflationsgeplagten Mitarbeiter. Nur stehen beide Seiten eben erst am Anfang ihrer Gespräche. Und da bieten Arbeitgeber immer wenig. Die nächsten Verhandlungen sind schon vereinbart, für nächste Woche. Verdi hätte darauf verzichten können, jetzt schon einen Streik auszurufen, noch dazu an sämtlichen Standorten der Fluggesellschaft. Ein "Warnstreik", wie die Gewerkschaft behauptet? Sie weiß wohl selber, dass das eine Untertreibung ist.

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