Profi des FC Bayern:Spaniens konsequente Justiz wird zum Problem für Hernández

Der Bayern-Verteidiger musste in Madrid vor Gericht erscheinen, Hintergrund sind Vorfälle häuslicher Gewalt und ein missachtetes Kontaktverbot - die Handhabe der Spanier ist aus gutem Grund streng.

Kommentar von Karin Janker

Sicherlich, der Grund, warum jemand zuschlägt, ist fast immer singulär. Nicht alle Schläger sind Männer, nicht alle Opfer sind Frauen. Und dennoch: Wenn sich in einer Gesellschaft abzeichnet, dass Menschen aufgrund eines bestimmten Merkmals wie ihres Geschlechts auffällig oft zu Straftätern werden (und umgekehrt Menschen des anderen Geschlechts statistisch besonders häufig deren Opfer sind), dann hat diese Gesellschaft ein strukturelles Problem.

Die spanische Gesellschaft hat das schon vor Jahren erkannt: Violencia de género, geschlechtsspezifische Gewalt, steht in Spanien zivilgesellschaftlich, juristisch und politisch weit oben auf der Agenda - weiter oben jedenfalls als etwa in Deutschland. Bis ins Jahr 2003 reicht die spanische Statistik zurück, die auflistet, wie viele Frauen Jahr für Jahr durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners sterben. In den vergangenen zehn Jahren waren es 532 Frauen, und die allermeisten von ihnen, auch dieses erschreckende Detail kennt die Statistik, lebten zum Zeitpunkt der Tat mit ihrem Mörder zusammen.

In Deutschland existiert eine derart umfangreiche, laufend aktualisierte und öffentlich zugängliche Datenbank noch nicht. Das Bundeskriminalamt weist erst seit 2015 die geschlechtsspezifische Gewalt in einem eigenen Bericht aus. Dabei sind die deutschen Zahlen sogar noch höher als in Spanien. Laut einem BKA-Bericht zum Jahr 2019 galt in 301 Fällen von ermordeten und totgeschlagenen Frauen der Partner als Tatverdächtiger. In Spanien starben im gleichen Jahr 55 Frauen auf diese Weise.

In Madrid ist die Politik bereits 2017 aktiv geworden und hat einen "Staatlichen Pakt gegen geschlechtsspezifische Gewalt" geschlossen. Der klingt nicht nur schön, sondern beinhaltet tatsächlich ein ganzes Paket an Maßnahmen, die von Gesetzesvorhaben über Bildungsinitiativen und Aufklärungskampagnen bis hin zu ganz praktischen Dingen reichen, etwa dem Schutz von geflüchteten Frauen in Aufnahmeeinrichtungen, weil die besonders gefährdet sind.

Premier Sánchez twittert, als wäre er ein feministischer Aktivist

Ministerpräsident Pedro Sánchez vermeldet mittlerweile jedes Mordopfer geschlechtsspezifischer Gewalt per Twitter. Das wirkt ein wenig befremdlich, fast als wäre er ein feministischer Aktivist und nicht etwa Regierungschef eines Landes. Derartiger Aktivismus von der Regierungsbank ist anbiedernd, aber er verschafft einem nachhaltigen Problem zumindest Aufmerksamkeit. Allerdings: Wenn es darum geht, die Wurzeln des Übels freizulegen und zu beseitigen, tut sich auch Spanien schwer. Das Klischee vom spanischen Macho ist zwar so gut wie überwunden - kaum ein anderes Land in Europa macht derzeit derart progressive Gleichstellungspolitik wie Spanien. Doch neben der Bildungs- und Sozialarbeit in Gesellschaftsschichten, in die Sánchez' Tweets nicht vordringen, ist vor allem eine konsequente Verfolgung der Täter entscheidend.

Was einen zur aktuellen Personalie bringt: FC-Bayern-Spieler Lucas Hernández. Er muss in Madrid nun dafür geradestehen, dass er das Kontaktverbot zu einer Frau missachtete, die ihn einst wegen häuslicher Gewalt angezeigt hatte. Teile der Öffentlichkeit mögen die drohende Haftstrafe von sechs Monaten für überzogen halten, weil der Vorfall so lange her, der Täter so berühmt und das Opfer inzwischen seine Ehefrau ist. Doch das Vorgehen gegen Hernández ist ein Ausweis jener Konsequenz, die in anderen Fällen Leben retten kann.

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