Großbritannien:Abgeschoben wird weiter

Das Kabinett von Premierministerin Liz Truss ist divers. Weltoffen ist es nicht.

Kommentar von Alexander Mühlauer

Eines hat die neue britische Premierministerin dem Bundeskanzler schon einmal voraus: Das Kabinett von Liz Truss bildet die Diversität der Gesellschaft sehr viel besser ab, als es die Ministerriege in Deutschland tut. Erstmals in der Geschichte Großbritanniens besetzt kein weißer Mann eines der drei Schlüsselressorts. Die Mutter des Außenministers stammt aus Sierra Leone, die der Innenministerin aus Mauritius und die des Finanzministers aus Ghana. Sie sind nicht die einzigen Regierungsmitglieder, deren Vorfahren einst nach Großbritannien eingewandert sind. Das britische Kabinett ist, was Hautfarbe und Geschlecht betrifft, ein Abbild der Vielfalt im Land. Die in Deutschland oft geforderte Diversity an der Spitze des Staates ist in Großbritannien Realität. Das ist gut so.

Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten? Auch das ist denkbar

Wer allerdings glaubt, dass die Regierung in London deshalb weltoffener wäre, täuscht sich gewaltig. In Person von Suella Braverman gibt es etwa eine neue Innenministerin, die ihrer rechtskonservativen Amtsvorgängerin Priti Patel in nichts nachsteht. Sie wird daran festhalten, bestimmte Asylsuchende nach Ruanda oder anderswohin abzuschieben. Und sie wird auch nichts daran ändern, dass Menschen, die aus der Ukraine flüchten, vor ihrer Ankunft in Großbritannien erst einmal ein Visum beantragen müssen. Geht es nach Braverman, soll das Vereinigte Königreich sogar möglichst schnell aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten.

So divers das Kabinett von Liz Truss auch ist, politisch ist es uniform. Die neue Premierministerin hat knallharte Brexiteers um sich geschart, unter ihnen viele Kinder von Einwanderern, die nun, so die Ironie der Geschichte, dafür sorgen, dass die Grenzen möglichst dicht bleiben. Auch unter Liz Truss wird sich Großbritannien ganz im Sinne der Brexit-Ideologie weiter abschotten. Die neue britische Regierung wird es Menschen aus aller Welt sicher nicht leichter machen, in diesem großartigen Land anzukommen.

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