Linke:Die Partei der Selbstzerstörung zeigt etwas Vernunft

Linke: Die Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler sehen die Linke wieder auf Kurs.

Die Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler sehen die Linke wieder auf Kurs.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Der Blick in den Abgrund hilft: Immerhin kann sich die Linke auf eine Linie einigen. Sahra Wagenknecht erleidet eine Niederlage. Sie sollte die Entscheidungen nun entweder akzeptieren - oder die Partei verlassen.

Kommentar von Jens Schneider

Zumindest für einen Tag sieht es an diesem Sonntag so aus, als hätte die Linkspartei mit einer bizarren Tradition gebrochen. Und als könnte sie sich vielleicht aus dem selbstgeschaffenen Dilemma befreien, das die Partei ihrem Untergang immer näher gebracht hat. Jahrelang gönnte sie sich interne Kämpfe von einer abstoßenden Gnadenlosigkeit. Fatal war, dass diese Kämpfe vor aller Augen ausgetragen, aber nie entschieden wurden. So hatte die Linke viele unvereinbare Richtungen - und letztlich keine mehr. Kein Wunder, dass es in Wahlen nur noch bergab ging. In Erfurt hat sie mit ihren Entscheidungen kurz vor dem Abgrund haltgemacht, mehr aber nicht. Für den ausgerufenen Neuanfang kommt es darauf an, was Gewinner und Verlierer daraus machen.

Denn es gibt eindeutige Gewinner und schwer geschlagene Verlierer. Gewinner sind Martin Schirdewan und Janine Wissler, die für ihre Rede gefeiert wurde. Sie erzielten kein kolossales Ergebnis. Das entspricht der Zerrissenheit der Partei, die mit der Wahl der neuen Führung nicht aufgelöst ist. Aber klar verloren hat das Lager der in Erfurt nicht anwesenden Sahra Wagenknecht. Dieses Lager scheiterte bei zentralen Personalentscheidungen und als es um zentrale Inhalte ging. Beim Blick auf die Invasion Russlands in der Ukraine ist Wagenknechts Linie durchgefallen. Ein dezidiert linker, aber doch realitätsnaher Antrag hat sich stattdessen durchgesetzt.

Die Linken haben sich als Sprachrohr jener positioniert, die Waffenlieferungen an die Ukraine klar ablehnen, aber dabei sehen, dass Putin in diesem Konflikt der Aggressor ist, für eine imperialistische Politik steht. Für Befürworter von Waffenlieferungen ist das zu wenig, für die Linke immerhin ein beachtlicher Schritt.

Auch dieser Parteitag war von Bosheiten und wenig sympathischer Selbstbeschäftigung geprägt. Aber es setzte sich eine Linie durch. Das hat auch damit zu tun, dass viele Linke beim Blick in den Abgrund erkannt haben, dass die Partei Handlungsfähigkeit und klare Botschaften braucht. Die Warnungen vor ihrem Ende, etwa vom Veteranen Gregor Gysi, waren so deutlich zu hören wie nie.

Der Polit-Kannibalismus beginnt meist schon nach wenigen Stunden

Manchmal ist Angst auch in der Politik ein guter Ratgeber, zumindest für den Moment. Und es gehört zur Entwicklung einer Partei, dass sie sich erneuert und dass bei diesen Häutungen all diejenigen, die auf dem Weg Niederlagen erleiden, sich entweder einordnen oder eben gehen. Unterschiedliche Strömungen sind gut für eine Partei, eine Kakofonie der Gegensätze nicht.

Diese Einsicht fehlte den Protagonisten der Selbstzerstörung bisher. Erfahrungsgemäß dauert es nach einem Linken-Parteitag nur wenige Stunden, bis der Polit-Kannibalismus erneut einsetzt. Warum sollte es diesmal anders sein, warum sollten die Selbstgewissen, die Irrlichter und konkret die Putin-Versteher jetzt stillhalten?

Sahra Wagenknecht und ihre Verbündeten haben vor Augen geführt bekommen, dass sie keineswegs die heimliche Mehrheit der Partei stellen. Dennoch hat sie nicht mal bis zum Ende des Parteitags stillgehalten. Es heißt jetzt, dass manche gehen werden, auch Partei-Prominenz. Für die Linke wäre das ein Ausdruck notwendiger Konsequenz. Es mag ja sein, dass die Linke, wie viele glauben, ohne Wagenknechts Strahlkraft für viele Wähler noch unattraktiver würde. Doch wie bisher mit ihr kann es erst recht nicht weitergehen. Wenn sie die Erfurter Entscheidungen nicht akzeptieren kann, sollte sie die Partei verlassen.

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