Libanon:Mehr Überraschungen bitte

Der Premier sollte wegen der Explosion im Hafen von Beirut angeklagt werden.

Von Moritz Baumstieger

Er sei "überrascht", habe "aber ein reines Gewissen", lässt Libanons amtierender Premier ausrichten, nachdem ihn eine Anklage wegen der verheerenden Explosion vom 4. August ereilt hat. Damit hat er seine Geisteshaltung und die seiner Kollegen gut zusammengefasst: Libanons Politiker sind es nicht gewöhnt, dass Handlungen oder Unterlassungen Konsequenzen haben - daher die Überraschung. Und das reine Gewissen, angesichts von fast 200 Toten und Tausenden Verletzten? Hassan Diab wusste zwar, welche Gefahr von der im Herzen der Hauptstadt schlummernden Bombe ausging. Doch wie der Präsident oder die Armeeführung fühlte er sich schlicht nicht zuständig.

Diese Geisteshaltung ist nicht nur die Ursache dafür, dass 2750 Tonnen hochexplosive Chemikalien vier Jahre lang im Hafen lagern konnten. Diese Geisteshaltung führt seit Jahrzehnten dazu, dass der Staat und seine Institutionen erodieren.

In der kommenden Woche soll Diab befragt werden, anschließend wird entschieden, ob dem Premier und drei Ministern der Prozess gemacht wird. Der Druck auf die zuständigen Richter wird enorm sein. Doch weil die Geisteshaltung bis heute verhindert, dass auf die Katastrophe Veränderungen folgen, sollten die Richter vor weiteren Überraschungen nicht zurückschrecken.

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