Süddeutsche Zeitung

Diskriminierung:Der Manipulator

Das Referendum des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán über sein umstrittenes LGBTQ-Gesetz fußt auf Fehlinformationen.

Von Matthias Kolb

Es ist ein Schritt, der zum Machtpolitiker Viktor Orbán passt. Einen Tag nachdem die EU-Kommission im Rechtsstaatsbericht Ungarns Demokratie schwere Mängel und den Behörden fehlenden Ehrgeiz im Kampf gegen Korruption bescheinigt hat, setzt der Ministerpräsident ein Referendum über das umstrittene LGBTQ-Gesetz an.

"Die Zukunft unserer Kinder steht auf dem Spiel", behauptet Orbán, und die zur Abstimmung stehenden Fragen erzeugen den Eindruck, ohne das Gesetz dürften Eltern bei der Sexualerziehung ihrer Kinder nicht mehr mitreden. Dass dies nicht stimmt, ist Orbán egal. Bis zur Wahl im Frühjahr 2022 will er der Opposition Sympathien für Pädophile vorwerfen. Die Kritik aus Brüssel an seinem illiberalen Kurs, der Vetternwirtschaft sowie der vermuteten Ausspähung von Journalisten mit der Pegasus-Software nennt er "Machtmissbrauch", hinter der eine Lobby von Schwulen, Lesben und Bisexuellen stehe. Die angedrohte Kürzung von EU-Geldern dürfte er genauso begründen.

Das Referendum soll dem Populisten erlauben, "im Namen des Volkes" zu sprechen. Zugleich lenkt es ab von anderen Vorwürfen. Dieses zynische Spiel könnte Erfolg haben, weil es in Ungarn kaum mehr unabhängige Medien gibt. Nicht nur die EU-Kommission war seit Jahren zu zögerlich: Auch CDU und CSU haben Orbán erst hofiert und dann zu lange toleriert.

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