Armin Laschet:Joah, was jetzt

Laschet besucht Hochwassergebiete

Armin Laschet spricht mit einem vom Hochwasser betroffenen Mann.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Wer bei dieser Bundestagswahl Erfolg haben will, muss Tatkraft ausstrahlen. SPD, Grüne und FDP haben dies begriffen. Sollte auch der Kandidat von CDU und CSU darüber verfügen, verbirgt er es Tag für Tag.

Kommentar von Detlef Esslinger

Es gibt zwei Szenen aus diesem Wahlkampf, welche die Probleme von Armin Laschet besonders gut illustrieren. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um diejenigen, die mittlerweile zu den berüchtigtsten gehören: weder der Moment mit dem Lacher, noch der, in dem er mit einem Flutopfer spricht, Laschet unterm Schirm, der andere scheinbar nicht. Der eine Moment war eine grausige Panne, der andere trug sich anders zu, als es aussah. Derlei gehört zur Kategorie "Shit happens". Auf Twitter werden Episoden schnell mal zur Zäsur erklärt. Hätte Armin Laschet nur Lach- und Schirmgeschichten um die Ohren: Sie könnten ihm wenig anhaben.

Das tatsächliche Problem liegt tiefer, es offenbarte sich in zwei Bemerkungen, die eher dahingesprochen waren. Das, was wirklich Erkenntnis bringt, passiert ja oft nebenbei. Die erste Bemerkung fiel kurz nach der Flut im WDR. Laschet wurde gefragt, ob die Katastrophe nicht zu einem raschen Ausstieg aus der Braunkohle führen müsse. Er antwortete: "Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik." Die zweite Bemerkung ist erst einige Tage her. Eine Reporterin von Focus online fragte ihn, was er alles vorhabe, worauf Laschet drei, vier Sätze zu Digitalisierung und Klimaschutz sprach - und auf die Einladung, ob ihm noch etwas Drittes einfalle, zur Antwort gab: "Joah, was machen wir noch..."

Wenn es ein Lebensgefühl gibt, das derzeit die meisten Deutschen eint, dann dies: Es muss bitte und bald etwas passieren. Es reicht nicht länger, die Dinge einfach irgendwie ordentlich zu verwalten. Die Stimmung gleicht der des Wahljahres 1998, als es mehr als vier Millionen Arbeitslose im Land gab und Helmut Kohl die Kraft zu Reformen nicht mehr aufbrachte. Gerhard Schröder wurde gewählt, weil er Unternehmungslust ausstrahlte. Ist es erstaunlich, dass nun vor allem SPD und FDP für ihre Verhältnisse hoch gehandelt werden, und auch die Grünen deutlich besser als vor vier Jahren abschneiden dürften? Die drei Parteien mögen sehr unterschiedliche Prioritäten setzen und mitunter recht verschieden auf die Welt blicken. Aber dass ihre Bewerberinnen und Bewerber im Volk ein und dasselbe Lebensgefühl wahrnehmen, das zeigen schon ihre Slogans. Die SPD: "Scholz packt das an." Die FDP: "Nie gab es mehr zu tun." Die Grünen: "Bereit, weil Ihr es seid." Wem hingegen auf Anhieb der Slogan für Laschet einfällt, der muss schon ein CDU-Ultra sein; wahrscheinlich bewahrt der auch ein Haar von Konrad Adenauer im Wohnzimmerschrank auf.

Wer so in Phrasen spricht, dessen Umfragewerte purzeln

Früher war es in Wahlkämpfen angeraten für die Protagonisten, bloß nicht allzu konkret zu werden: weil man sich Optionen offenhalten muss, weil man nicht wissen kann, wer der Koalitionspartner sein wird, und überhaupt, wer weiß schon, was in drei Monaten ist. Diese Regel gilt diesmal nicht, im Gegenteil: Wer in Phrasen spricht ("Erst das Land, dann die Partei" - Laschet am Samstag beim Wahlkampfauftakt), wer den Eindruck erweckt, die grundstürzende Bedeutung der Flut nicht erkannt zu haben (Laschet im WDR), wem keine drei Themen einfallen für seine Kanzlerschaft (Laschet bei seinem Joah-Satz) - der sollte sich nicht wundern, wenn seine Werte von Umfrage zu Umfrage purzeln. Nur als Gedanke: Sähe man bei der Union angesichts der Lage nun die Notwendigkeit, dringend ganz neue Slogans erfinden zu müssen - könnte sich irgendjemand vorstellen, dass ein Satz à la "Laschet packt das an" dabei herauskäme?

Vielleicht könnte aus diesem Mann ein passabler Kanzler werden; in dem Monat seit der Flut (ebenso wie übrigens in der Corona-Krise) hat er durchaus mehr zustande gebracht, als seine Auftritte vermuten lassen. Auch Angela Merkel und Helmut Kohl waren anfangs keineswegs diejenigen, zu denen sie im Laufe ihrer Amtszeit wurden. Was aus Armin Laschet indes ziemlich sicher nicht mehr wird: ein passabler Kanzlerkandidat. "Joah, was machen wir noch...", solch ein Satz ist vom Lebensgefühl des Sommers 2021 maximal entfernt.

Markus Söder würde nicht den Eindruck erwecken, gemütlich ins Amt gondeln zu wollen

Womit man doch noch mal auf die Szene mit dem Schirm zurückkommen muss: Warum konnte sich überhaupt tagelang der Eindruck halten, Laschet kümmere es nicht, dass ihm so ein Ding gehalten wird, dem Flutopfer vis-à-vis jedoch nicht? Jedes Wahlkampfteam müsste doch innerhalb von Minuten die Fotos auftreiben, die zeigen, dass hier der Bildausschnitt den Betrachter in die Irre führte; dass beide unter einem Schirm standen. In dieser Hinsicht hat die Szene, respektive der gemütliche Umgang damit, dann doch ihre Bedeutung: indem sie ihren Teil zu dem Eindruck beiträgt, dass in dieser Kampagne kein Feuer ist.

Markus Söder würde niemals den Eindruck erwecken, ins Kanzleramt quasi gondeln zu wollen; er wüsste wahrscheinlich gar nicht, wie so etwas ginge. Beim Wahlkampfauftakt der Union sagte er, die Union sei "nicht ausgelaugt" und "nicht am Ende". Söder sagte dies von sich aus, niemand legte ihm diese Vokabeln vor. Wenn man so etwas schon ausdrücklich betonen muss!

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