Kulturpolitik:Löwenmutter nötig

Kulturpolitik: Schon unterwegs: Hier besucht Kulturstaatsministerin Claudia Roth (links) zusammen mit Muhterem Aras, der grünen Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, das Stuttgarter Linden-Museum.

Schon unterwegs: Hier besucht Kulturstaatsministerin Claudia Roth (links) zusammen mit Muhterem Aras, der grünen Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, das Stuttgarter Linden-Museum.

(Foto: Tom Weller/dpa)

Die grüne Staatsministerin Claudia Roth hat große Pläne. Erfolg aber wird sie nur haben, wenn sie nicht in Symbolpolitik untergeht, sondern zum Beispiel Opern- und Ausstellungshäuser schützt und rettet.

Kommentar von Kia Vahland

Erstmals besetzen die Grünen das Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien, und Claudia Roth tritt es mit sichtlicher Freude an. Sie will die Kultur in allen Spielarten fördern, will Diversität unterstützen, sie spricht sich für eine "Dekolonialisierung des Denkens" in Museen aus und für nachhaltige Bauten. Schwer vorstellbar, dass unter Roth das Berliner Humboldt-Forum mit seinen ethnologischen Sammlungen auch in so eine Sinnkrise geraten wäre wie unter ihrer Vorgängerin, der Christdemokratin Monika Grütters. Schon der christlich verbrämte imperiale Herrschaftsanspruch in der Inschrift der Kuppel ("dass im Namen Jesu sich beugen soll all derer Knie ...") wäre unter Roth, der früheren Bundestagsvizepräsidentin, wohl nicht durchgegangen.

Ihr Ansatz klingt vielversprechend - und birgt trotzdem eine Gefahr. Nicht ausgeschlossen ist ja, dass die Grünen sich mit ihren Klimazielen, ihrer Außenpolitik und ihrer gesellschaftspolitischen Agenda in der Ampel-Koalition nur weniger werden durchsetzen können, als sie und ihre Wählerschaft sich das vorstellen. Leidige Sachzwänge, Sozial- und Freidemokraten, weltpolitische Ereignisse: Alles Mögliche mag Annalena Baerbock und Robert Habeck dazwischenkommen. Die Gefahr ist dann, dass die Grünen auf die Kultur ausweichen und hier schönste Symbolpolitik betreiben. Nur ist der größte Energiefresser in einem Land voller unsanierter Gebäude eben nicht das alte Stadttheater. Und die Museen bilden vielleicht nicht immer die postkoloniale Avantgarde; Rassismus und mangelnde Sensibilität für koloniale Muster aber sind traurige gesamtgesellschaftliche Phänomene, die es auch gesamtgesellschaftlich zu bekämpfen gilt.

Das Ziel muss sein, allen Teilhabe an Kultur zu ermöglichen

In der Kultur kann man es sich wunderbar bequem machen als gescheiterter Weltverbesserer oder als ausgebremste Utopistin, diesem Risiko erliegen auch manche Kreative. Nun lohnt es immer, für Anliegen wie Vielfalt, Ressourcenschonung und historisches Bewusstsein zu streiten. Bloß wäre die Kultur allein dafür einerseits ein zu kleines, andererseits ein zu weites Feld. Zu klein, da sie nur ein Lebensbereich von vielen ist. Zu weit, weil sie sich eben gerade nicht verzwecken lassen kann, auch nicht für eine noch so gute Sache. Sie muss ungebunden sein dürfen, provokant auch gegenüber demokratischen Politikerinnen, enervierend auch für zahlendes Publikum. Nur dann ist die Kunst sie selbst.

Um der Kultur diese Denk- und Spielräume zu ermöglichen, wird Claudia Roth eine Löwenmutter sein müssen. In der Pandemie gelten Gastronomie, Einzelhandel, Friseurläden der Politik allemal mehr als Konzertsäle, Opern- und Ausstellungshäuser, die man scheinbar nach Belieben öffnen und schließen kann. Kultureinrichtungen in Deutschland sind, auch wenn sie staatlich und kommunal betrieben sind, ernsthaft gefährdet auszubluten, die freie Szene ist es sowieso.

Claudia Roth wird daran gemessen werden, ob sie diese auch monetäre Missachtung stoppen und Künstlerinnen und Künstlern und deren Institutionen zu ihrem Recht und ihrem Rang verhelfen kann. Es geht nicht um Sektempfänge für eine kleine Elite. Es geht darum, der Bevölkerung in ihrer Breite Teilhabe an Kultur wirklich zu ermöglichen. Dieses Projekt wäre größer und bedeutender, als Symbolpolitik es sein kann.

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