Raumfahrt:Im Sternenstädtchen

Russisches Filmteam startet mit Sojus-Rakete zur Raumstation ISS

Russlands Frau im All: Julia Peressild winkt im Raumanzug vor dem Start mit einer Sojus-Rakete auf dem Kosmodrom Baikonur.

(Foto: Sergei Savostyanov/dpa)

Die Schauspielerin Julia Peressild soll als Filmärztin einem kranken Kosmonauten das Leben retten - gedreht wird tatsächlich im Weltall.

Von Frank Nienhuysen

Natürlich werden die Raketen auf der Stelle zu grauen Statisten, die am Bildrand stehend zum Hallengewölbe zeigen, während Julia Peressild im weißen Kapuzenpulli lächelnd in die Kamera schaut. Das Pressefoto wurde Anfang Juni in Moskau und dort offensichtlich im berühmten "Sternenstädtchen" gemacht, wo russische Kosmonautinnen und Kosmonauten monatelang auf ihre Reise ins All vorbereitet werden. Die erfolgreiche Schauspielerin Peressild ist jetzt auch eine russische Kosmonautin. Sie hat sich auf eine ganz neue Rolle eingelassen. Am Dienstagabend ist sie zur ISS geflogen. Und Baikonur, der technisch kühl durchkonstruierte Weltraumbahnhof in der kasachischen Steppe, erfuhr auf einmal etwas Glamour.

Um Aufmerksamkeit ging es ja auch, als Julia Peressild und ihr Regisseur Klim Schipenko im Raumfahrt-Outfit in die Sojus-Rakete einstiegen. Es war sozusagen großer Bahnhof in Baikonur, denn auch Dmitrij Rogosin war da, der einflussreiche ehemalige Vizepremier, Russlands Ex-Vertreter bei der Nato und nun mächtiger Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos. Das war schnell klar: Es geht hier auch um das Prestige der Nation.

Die 37 Jahre alte Schauspielerin Peressild wird nun zwölf Tage lang im Weltraum kreisen und die Internationale Raumstation ISS zum Filmset machen. Das ist sehr viel Aufwand für geschätzt 30 Minuten Szenenmaterial, die am Ende in den Film mit dem Arbeitstitel "Wysow" (Die Herausforderung) fließen sollen. Das hätte man mit deutlich kleinerem Budget sicher auch in den berühmten Mosfilm-Studios hinbekommen. Aber das ist nicht der Punkt. Julia Peressild hat nicht nur 3000 Mitbewerberinnen hinter sich gelassen, sondern auch den amerikanischen Star Tom Cruise, der in den USA ebenfalls für Dreharbeiten ins All geschossen werden soll. Wann auch immer das geschieht: Julia Peressild wird vor ihm oben gewesen sein.

Erinnerungen an Jurij Gagarin

Die Russin als erste im Kosmos drehende Schauspielerin, das ist für Moskaus Raumfahrt-Politik ein vergleichsweise leicht eingeheimster Erfolg. Er weckt viele Erinnerungen an frühere Wettbewerbe, bei denen Russland auch Erster war. Jurij Gagarin war der erste Mann im Weltall; die erste Frau dort war ebenfalls eine Russin, nämlich Walentina Tereschkowa. Während Julia Peressild nächste Woche noch auf der ISS schauspielert, wird Tereschkowa als Abgeordnete die Eröffnungsrede vor der neu gewählten Duma halten. So weit ist die Künstlerin noch lange nicht, weit aber hat es auch sie schon gebracht. Auch jenseits der 400 Kilometer in den Orbit.

Julia Peressild, in der Stadt Pskow geboren, estnische Wurzeln, gehört zu den gefragtesten Schauspielerinnen Russlands. Der Beruf war schon als Kind ihr Traum, sie spielte die klassische russische Wintermärchenfrau Snegurotschka und wurde mit elf bereits mit Auftritten im russischen Fernsehen bekannt. Als sie 14 war, starb ihr Vater, und die junge Julia musste ihrer Mutter helfen, die Familie durchzubringen. Nach dem Schauspiel- und Regiestudium trieb sie ihre Karriere voran, spielte in Dutzenden Filmen mit, Dramen, Komödien, ihre Rolle im Nachkriegsdrama "Kraj - Am Ende der Welt", der auch in Deutschland gezeigt wurde, gilt als Peressilds Durchbruch. Dekoriert wurde sie dafür mit zwei russischen Filmpreisen. Kurz darauf, 2013, erhielt sie von Wladimir Putin den Preis des russischen Präsidenten für junge Künstler.

Auch mit dem von den russischen Behörden schikanierten Regisseur Kirill Serebrennikow hat Julia Peressild gearbeitet. Sie spielte in "Petrov's Flu" mit, für den sie in diesem Jahr nach Cannes eingeladen wurden. Und doch, trotz der Erfolge, sagte sie vor ihrem Abflug zur ISS über sich: "Mir fehlt jede Leichtigkeit, ich bin ein panischer, ein problembehafteter Mensch." Davon wird jetzt im Weltall wohl wenig zu bemerken sein - als Filmärztin soll sie einem erkrankten Kosmonauten das Leben retten.

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