Aktuelles Lexikon:Kompromiss

Die Geschichte und das Image eines Wortes, aus Anlass einer Einigung der EU-Innenminister

Von Joachim Käppner

Der Kompromiss ist eine tragische Gestalt. Einerseits wird er unbedingt gebraucht und löst Konflikte und Probleme, die ohne ihn weiter bestehen würden bis zum Jüngsten Tag. Andererseits erfährt er wenig Dank, da selbst die Beteiligten gern behaupten, er sei sehr schmerzhaft, aber leider notwendig gewesen. Da der Kompromiss nicht darin bestehen kann, Maximalpositionen durchzusetzen, sondern so etwas wie die gefundene Schnittmenge zwischen zwei oder mehr Parteien bei teils sehr gegensätzlichen Forderungen ist, wird er nicht selten als verfehlt oder gar unethisch bezeichnet. So wird den Regierungsgrünen aufgrund ihrer Zustimmung zum europäischen Asyl-Kompromiss nun aus den eigenen Reihen vorgeworfen, sie hätten ihren "moralischen Kompass verloren". Das Wort entstammt dem lateinischen compromittere, das bedeutet: etwas gemeinsam - oder sich gegenseitig - versprechen; während promittere ohne Vorsilbe com (auch cum: mit, gemeinsam) so viel wie versprechen heißt. Wer ein Abrücken von eigenen Zielen ablehnt, spricht gern von einem "faulen Kompromiss". In Deutschland war der Kompromiss oftmals aus obrigkeitsstaatlichen Zeiten noch negativ besetzt, was sich in Redewendungen ausdrückt wie "keine Kompromisse!" oder dem alten Sinnspruch: "Lass dich in keinen Kompromiss; du verlierst die Sach', das ist gewiss!"

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