Den Haag:Punkt fürs Völkerrecht

Der Internationale Gerichtshof hat den russischen Angriff auf die Ukraine als völkerrechtswidrig verurteilt. Das kann dem Kreml tatsächlich nicht egal sein.

Von Ronen Steinke

Fünfzehn Damen und Herren in plissierten schwarzen Roben mit Samtbesatz haben sich in einem niederländischen Schlösschen getroffen, sich vor eine Kamera gestellt und etwas gesagt. Die ketzerische, aber völlig naheliegende Frage ist: Warum sollte das den russischen Gewaltherrscher Wladimir Putin interessieren? Der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das höchste Gericht der Vereinten Nationen, hat am Mittwoch zwar ein Urteil gesprochen. Tenor: Putins Krieg sei völkerrechtswidrig. Er müsse sofort aufhören. Aber dieses Urteil ist nicht vollstreckbar. Muss es den Kreml bekümmern?

Ja, und dafür hat ausgerechnet die russische Regierung selbst gesorgt. Es ist nicht zu unterschätzen, dass sie sich auf das Verfahren in Den Haag eingelassen und sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geäußert hat. Die Vorwürfe lauteten: Russland lüge der Welt etwas vor, indem es von einem ukrainischen "Völkermord" gegen russischstämmige Menschen fabuliere. Moskau hat dem Gerichtshof einen Schriftsatz mit Argumenten geschickt. Es ist beachtlich, dass die russische Regierung sich sogar bemüht hat, eine Argumentation zu finden, mit der sie eine Chance haben würde, die Richter auf ihre Seite zu ziehen. So kann Moskau dem Gericht schwerlich im Nachhinein die Autorität absprechen.

Man kann nur staunen: Russland ist zurückgerudert. Russland hat vor dem Gerichtshof argumentiert, dass die Behauptung Putins, die Ukraine verübe einen "Völkermord" gegen russischstämmige Menschen, nicht wörtlich gemeint gewesen sei, jedenfalls nicht im Sinne der Völkermordkonvention von 1948. Eine völkerrechtlich bindende Klarstellung der Richter, dass sein Krieg dennoch illegal ist, schwächt nun Putin. In internationalen Institutionen darf nun niemand mehr neutral sein. Und auf diese neue völkerrechtliche Klarheit könnten sich auch kleine Staaten, die sich Moskaus Wünschen nach Unterstützung im Krieg schwer widersetzen können, nun berufen.

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