Süddeutsche Zeitung

Schweiz:Überfälliges Bekenntnis

Dass die Schweiz die Sanktionen der EU übernimmt, ist gut - aber kein Paradigmenwechsel. Denn die Neutralität erlaubt Wirtschaftssanktionen. Umso schlimmer, dass die Regierung so lange darüber nachdenken musste.

Von Isabel Pfaff

Um eines vorwegzunehmen: Es ist gut und richtig, dass sich die Schweiz nun doch den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat. Sie ist ein Schlüsselland, was russische Vermögen und den für Moskau wichtigen Rohstoffhandel betrifft. Erst durch ihre Teilnahme entfalten die Sanktionen ihre volle Kraft.

Wer aber glaubt, die Schweiz wende sich damit von ihrer Neutralität ab, liegt falsch. Auch wenn es jetzt manche so deuten: Das Land hat mit dem Entscheid nicht viel geopfert, schon gar nicht seine wichtigste außenpolitische Norm. Das zum Völkerrecht gehörige Neutralitätsrecht verbietet es neutralen Staaten lediglich, selbst an bewaffneten Konflikten teilzunehmen oder eine der kriegführenden Parteien militärisch zu begünstigen. Alles andere - etwa humanitäre Hilfe, eine politische Positionierung oder eben Wirtschaftssanktionen - ist möglich und orientiert sich laut einem Grundsatzpapier der Schweizer Regierung an den Landesinteressen, der internationalen Lage sowie an "Geschichte und Tradition" der Schweiz. Und so haben die Eidgenossen schon oft Wirtschaftssanktionen mitgetragen: etwa als Völkerbundmitglied in den 1920er-Jahren, oder 1990, als die Schweiz sich den UN-Sanktionen gegen den Irak anschloss. 1991 übernahm das Land die Sanktionen der EU gegen die damaligen jugoslawischen Teilrepubliken Serbien und Montenegro vollumfänglich, das Gleiche geschah 2011 gegenüber Syrien und seit 2006 mehrmals - immer im Gleichschritt mit der EU - bei Belarus.

Und jetzt, nach dem glasklaren Völkerrechtsbruch durch Russland? Vier Tage Herumlavieren und Verweise auf die Neutralität, die angeblich der direkten Sanktionsübernahme im Weg stünde. Zu unvorbereitet zeigte sich die Regierung, zu bequem erschien es im ersten Moment, Moskau politisch und wirtschaftlich nicht zu provozieren. Die Verfechter von Frieden und Demokratie - auch in der Schweiz selbst - dürften der Regierung in Bern dieses Zögern nicht so schnell vergeben.

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