Israel:Das große A

Amnesty International spricht von israelischer Apartheid. Der Begriff ist unpassend und lenkt von berechtigter Kritik ab.

Kommentar von Peter Münch

Es tobt der Kampf mit dem großen "A": "Apartheid" ruft dabei Amnesty International und wirft Israel in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht die systematische Unterdrückung der Palästinenser vor. Dahinter stecke doch nichts anderes als "Antisemitismus", schallt es aus Jerusalem zurück, wo die Menschenrechtsorganisation als Truppe von Lügnern und Israel-Hassern dargestellt wird. Mehr Polarisierung geht kaum. Die sehr komplexe Realität des seit Jahrzehnten tobenden Nahostkonflikts wird damit auf zwei Begriffe reduziert - und das tut der ohnehin längst toxischen Debatte gar nicht gut.

Zur Differenzierung trägt Amnesty gewiss nicht bei mit diesem Bericht, der Israels Umgang mit allen Palästinensern über einen Kamm schert mit dem Fazit, dass es allüberall um das Verbrechen der Apartheid gehe. Dabei ist die Lage der Palästinenser im besetzten Westjordanland eine andere als im Gazastreifen, wo die Bewohner nicht nur einer israelischen Blockade ausgeliefert sind, sondern auch von der eigenen Hamas-Regierung terrorisiert werden. Komplett verschieden dazu ist das Leben der palästinensischen Minderheit in Israel, die zum Beispiel wählen kann und in der aktuellen israelischen Regierung von einer eigenen Partei vertreten wird.

Außer Acht gelassen wird von Amnesty zudem der historische Kontext auf beiden Seiten der Konfliktlinie. Der ist so vielschichtig, dass man ihn nicht unter dem Begriff Apartheid auf Rassismus nach südafrikanischem oder sonstigem Muster reduzieren kann.

Das alles ändert jedoch nichts daran, dass die israelische Politik den Palästinensern großes Unrecht zufügt. Der Siedlungsbau verstößt gegen das Völkerrecht, die Besatzung macht das Leben von Millionen Palästinensern tagtäglich zur Hölle. Der berechtigten Kritik daran muss sich Israel stellen - auch wenn es für viele Verantwortliche gewiss sehr viel bequemer ist, diese als Spielart des Antisemitismus zurückzuweisen.

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