Süddeutsche Zeitung

Getreide-Abkommen:Die Hoffnung auf Verhandlungen ist jetzt obsolet

Die Begründung, mit der Putin das Abkommen aufkündigt, zeigt, dass der Kremlchef weiter mit seiner wirkungsvollsten Waffe arbeiten will: der unmissverständlichen Drohung gegen die Unterstützer Kiews.

Kommentar von Tomas Avenarius

Zu Recht steht Wladimir Putin angesichts seines Überfalls auf die Ukraine, seiner Atombomben-Drohungen und fortgesetzten Lügen unter Generalverdacht. Seine Aufkündigung des Abkommens über den Export ukrainischen Getreides bietet also Anlass zur Skepsis. Putin rechtfertigt das Ende des einzigen diplomatischen Annäherungserfolges in diesem unsinnigen Krieg mit einem ukrainischen Drohnenangriff auf die Schwarzmeerflotte. Er beschuldigt einen britischen Geheimdienst, den Ukrainern quasi die Waffen geführt zu haben. Und nebenbei sollen die Briten noch die Nord-Stream-Gasröhre in die Luft gejagt haben vor einigen Wochen.

Belege liefert der Kreml-Herrscher keine. Dass Kiews Streitkräfte russische Kriegsschiffe vor der Krim angreifen, kann Putin eigentlich kaum verwundern: Seine Kriegsgegner haben im Sommer bereits die Moskwa, das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte, versenkt. Und dass die Briten nicht nur Waffen liefern, sondern den Ukrainern zumindest bei Aufklärung und Logistik helfen, pfeifen die Spatzen von den Kreml-Dächern.

Was will Putin? Zum einen macht er die Hoffnung auf Verhandlungen obsolet: Das Getreide-Abkommen galt als Startrampe für Gespräche unter Vermittlung der UN und der Türkei. Darüber hinaus ist die Drohung an die Unterstützer Kiews unmissverständlich. Eine direkte Beteiligung britischer Soldaten an einer ukrainischen Attacke könnte die Begründung für Krieg zwischen Russland und der Nato hergeben. Den wird Putin kaum wollen. Aber seine Drohungen sind seine wirkungsvollsten Waffen.

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