Die Stimmung im Herz der Finanzwelt fasste Jamie Dimon, Chef der US-Großbank JP Morgan, treffend zusammen. Seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten würden die Banker „in den Straßen tanzen“, sagte der 68-Jährige vor wenigen Tagen auf einer Konferenz. Aussichten auf laxere Regeln für Firmen inklusive Banken sowie niedrigere Unternehmensteuern führten zu guter Laune an der Börse. Die Kurse des US-Leitindex S&P 500 stiegen seit der Wahl um rund fünf Prozent, die der kleineren US-Werte im Index Russell 2000 sogar um mehr als zehn Prozent.
Nun fuchtelt der baldige Präsident Trump allerdings mit der Zollkeule herum, mit ihr droht er Kanada, Mexiko und China. Viele Privatleute fragen sich angesichts der widersprüchlichen Signale: Sollten sie jetzt einsteigen? Oder schnell alles in Sicherheit bringen? Die ungewöhnliche Antwort auf diese Frage lautet: Donald Trump kann den Anlegern ziemlich egal sein – vor den USA sollten sie sich trotzdem in Acht nehmen.
Denn unabhängig von Trump sind die börsennotierten US-Unternehmen erst einmal zum Erfolg verdammt. Ihre Umsätze wachsen schneller als anderswo auf dem Globus, vom Umsatz bleibt mehr hängen als in anderen Weltregionen, und von diesem Geld geben die US-Firmen auch noch mehr an ihre Anlegerinnen und Anleger zurück. Während anderswo auf der Welt nahezu flächendeckend konjunkturelle Tristesse herrscht, scheint für US-Aktien das Merkel’sche Diktum zu gelten: Sie sind alternativlos.
Trotz dieser Ausnahmesituation für amerikanische Unternehmen am Parkett könnten die Kurse unter Druck geraten. Denn auch wenn Gewinne und Margen der Firmen kräftig gestiegen sind, haben die Aktienkurse noch weit kräftiger zugelegt. Gedankenspiel: Wollten Anleger alle handelbaren Aktien der Firmen im S&P 500 aufkaufen, müssten sie aktuell rund 25-mal so viel zahlen wie die prognostizierten Firmengewinne der kommenden zwölf Monate. Zum Vergleich: Im historischen Mittel reichten rund 15 aufsummierte Jahresgewinne. Schon ohne Trumps Zutun könnte also ein kleiner Knacks ausreichen – und die Kurse könnten drehen.
Die Debatten über US-Aktien konzentrieren sich gerne auf den Konjunkturtrend im Land, gehen damit aber notorisch am Kern der Sache vorbei. Schließlich kommen nur 60 Prozent der Umsätze amerikanischer Börsenfirmen tatsächlich aus dem eigenen Land. Die Umsätze der größten US-Börsenunternehmen stiegen in den vergangenen zehn Jahren vor allem deshalb so stark, weil sie im globalen Geschäft Marktanteile gewannen.
Trumps größter Hebel auf die Kurse wäre also nicht die Konjunkturpolitik, sondern die Standortfrage. Würde er Kartellgesetze verschärfen oder Steuern nicht so deutlich senken wie erwartet, könnten Aktien empfindlich reagieren. Mit der Zollkeule, die nun Schlagzeilen macht, hat das jedoch wenig zu tun.
Das größte Risiko für die Börsen heißt nämlich nicht Trump’sche Dummheit, sondern künstliche Intelligenz (KI). Sollten die großen Digitalunternehmen ihre Ausgaben für diese Technologie auch nur zeitweise drosseln, ließen sich die himmelhohen Erwartungen an ihre Aktien kaum mehr rechtfertigen. Und darüber entscheidet eben nicht Trump. Sondern, wie viele Menschen und Unternehmen künftig bereit sind, für die KI-Angebote von Microsoft oder Amazon Geld zu zahlen.
Auch der dritte Stolperstein entzieht sich Trumps Kontrolle und liegt nur scheinbar weit entfernt: Sollte die japanische Notenbank ihre Zinsen weiter anheben, könnten japanische Großanleger weitere Milliarden aus den USA herausziehen und in ihr Heimatland transferieren, um dort von den Zinsen zu profitieren. Genau das geschah Anfang August bereits einmal und bescherte den Weltbörsen einen schockartigen Ausverkauf.
Angesichts dieser Gemengelage gilt für Privatanleger der immergleiche Dreiklang: Wer einen langen Anlagehorizont mitbringt, kann zwischenzeitliche Kapriolen an den Märkten gelassen aussitzen. Wer neben Aktien auch auf Zinsanlagen setzt, baut so einen Puffer ins Depot ein. Und wer sein Geld global noch breiter streut als bislang, muss auch die Ereignisse in den USA nicht übermäßig fürchten. Selbst wenn dort ein Präsident Donald Trump mitmischt.