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Raubkunst:Die Rückgabe kann der Beginn einer wunderbaren Ära sein

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Die Benin-Bronzen wurden 1897 im heutigen Nigeria gestohlen. Jetzt will Deutschland bei der Bewältigung der europäischen Kolonialgeschichte vorangehen. Dadurch wird Kultur zur universalen Angelegenheit.

Kommentar von Kia Vahland

Einen Fehler einzugestehen, das eigene, destruktive Verhalten zu ändern im Interesse derer, die man geschädigt hat: Das ist eine hohe Kunst. Im besten Fall vermag sie beiden Seiten zugutekommen, weil so etwas Neues, Gemeinsames wachsen kann. Deutsche Museen und Kulturpolitiker versuchen sich nun daran - endlich. Am Donnerstagabend entschieden sie, im kommenden Jahr die ersten Benin-Bronzen zurückzugeben, jene Kunstschätze, welche den Königshof der Edo-Völker im heutigen Nigeria schmückten - bis das britische Militär im Jahr 1897 das Königreich unterwarf und den Palast plünderte. Die Benin-Bronzen wurden in alle Welt verscherbelt, etliche gelangten in deutsche Museen.

Mit dem Schritt erkennt Deutschland das Unrecht der Kolonialzeit an

Es handelt sich eindeutig um Raubgut, bei einigen Stücken sieht man noch die Spuren der Hiebe der Plünderer. Deutschland wird nun als wohl erstes Land Werke zurückgeben an eine neu gegründete Stiftung in Nigeria, in der sich kürzlich alle Anspruchsberechtigten, auch die Nachfahren des Königs, zusammengetan haben. Dies ist wegweisend in politischer wie in kultureller Hinsicht.

Politisch bedeutet eine Rückgabe dieser prominenten Raubkunst, das Leid und den berechtigten Unmut der Menschen in den früheren europäischen Kolonien anzuerkennen und einander endlich auf Augenhöhe zu begegnen. Kulturell kann etwas ganz Neues entstehen, wenn deutsche Museen mit dem frisch gegründeten Museum in Benin City kooperieren, das die Obhut über die Stücke bekommen könnte. Wer bereit ist, sich von der Idee des Museums als nationaler Trutzburg zu verabschieden, wer stattdessen engen internationalen Austausch pflegt, Werke, Ideen, Kuratoren zirkulieren lässt, kann die oft bemühte Floskel von der Völkerverständigung durch Kultur tatsächlich mit Leben füllen.

Jetzt bloß keine Kulturkämpfe - zu viel steht auf dem Spiel

Entscheidend dafür ist es, den Museumsleuten zu vertrauen und sie nicht in die Gräben hiesiger Kulturkämpfe zu jagen. Aus falsch verstandenem deutschen Interesse heraus die Kunst behalten zu wollen, wäre eine schlechte Idee. Ebenso wenig kann es darum gehen, eine historische Schuld rasch loszuwerden (das wird man sowieso nicht) und sich moralisch auf der richtigen Seite zu fühlen, indem man sich vom schlechten Gewissen freizukaufen versucht. Die Kunst nur aus diesem Impuls heraus abzugeben und sich dann nicht mehr drum zu kümmern, wäre fatal. Das würde die Kulturen trennen, die längst, gerade durch die Kolonialgeschichte und ihre Folgen, eng verbunden sind. Es wäre wohl auch nicht im Sinne der Nigerianer, wenn ihre kulturelle und politische Geschichte in Europa nicht mehr sichtbar sein sollte.

Deswegen sollte das Berliner Humboldt Forum, das dieses Jahr eröffnet, vor einer Rückgabe unbedingt in seiner ersten Schau wie geplant prominent die Benin-Bronzen zeigen. Sie gehören gefeiert, als Kunstwerke genossen, als Teil europäischen Machtstrebens verstanden. Auch nach ihrer Rückführung lässt sich diese Geschichte erzählen. Man kann die Stiftung in Nigeria um Leihgaben bitten, man kann alte Repliken zeigen, man kann gemeinsame Ausstellungen planen, auch mit britischen und französischen Museen, die ebenfalls vom Gewaltakt der Briten profitiert haben. Viel ist möglich, wenn die Dinge ohne Ideologie betrieben werden. Dieser Weg ist jetzt frei.

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