Süddeutsche Zeitung

Agrarwirtschaft:Aus Liebe zum Tier

Ministerin Klöckner darf für den Umbau der Fleischwirtschaft nicht allein die Verbraucher verantwortlich machen. Das Land braucht keine neuen Labels, sondern strengere Regeln.

Von Thomas Hummel

Der Bundesrechnungshof regt an, die Mindeststandards in der Tierhaltung gesetzlich anzuheben. Und er hat recht damit. Selbst Menschen, die gerne Fleisch essen, schaudern bei vielen Zahlen, die aus der Agrarwirtschaft gemeldet werden: 2020 wurden in Deutschland etwa 730 Millionen Tiere geschlachtet. In der Hühnermast teilen sich in der vorherrschenden Zucht 26 Tiere einen Quadratmeter im Stall. Ihre Muskeln wachsen so schnell, dass sie schon nach 28 Tagen im Schlachthof landen. 2018 wurden in deutschen Ställen 722 Tonnen Antibiotika verabreicht.

Der Umbau der Fleischwirtschaft ist auch aus Umwelt- und Klimaschutzgründen unausweichlich. Nun soll ein Tierwohlkennzeichen dafür sorgen, dass Kunden aus Liebe zum Tier zum teureren Fleisch greifen. Damit wälzt das Landwirtschaftsministerium die Verantwortung clever auf die Verbraucher ab. Und verweigert dazu eine detaillierte Prüfung, wie hoch die Zusatzkosten etwa durch Verwaltungsaufwand oder PR-Strategien sein werden.

Ministerin Julia Klöckner (CDU) will Deutschland zum Vorbild bei der Tierhaltung machen - und gleichzeitig den Landwirten und Agrarkonzernen nicht wehtun. Am Ende steht ein teures Unterfangen für die Allgemeinheit, während viele Betriebe weitermachen dürften wie bisher. Zum Leid der Tiere.

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