Ein Jahr ist es her, dass Hoch Emil die Hitzewelle in Deutschland noch einmal verlängerte, mit Temperaturen knapp unter 40 Grad Celsius. Es gibt, oder besser: gab, Bäume in diesem Land, denen versetzte diese Phase den letzten Stoß. Der deutsche Wald wird nie wieder so sein, wie er vor den trockenen Jahren 2018 bis 2020 war. Da kann man nur sagen: zum Glück. Denn der Wald muss sich wandeln.
Die Deutschen haben ein besonderes, auch romantisches Verhältnis zum Wald. Er ist ein Ort der Ruhe und des Rückzugs. Er ist eine Art Begegnungsstätte zwischen Mensch und Natur. Er ist ein gigantischer Speicher von Kohlendioxid und zugleich eine Art natürliche Klimaanlage. Ohne seine Wälder wäre dieses Land ein tristes, ein karges Land.
Zugleich aber ist er ein Ort, in dem gewirtschaftet wird. Es gäbe keine Dachstühle, keine Tische und keine Holzfenster ohne den Wald. Mehr noch: In Zeiten der Klimakrise gewinnt Holz als Baustoff an Bedeutung. Seine Herstellung setzt, anders als bei Stahl oder Zement, keine Emissionen frei. Stattdessen speichert Holz das Kohlendioxid, das es im Laufe seines Wachstums aufgenommen hat. Das wird den Druck auf die forstliche Nutzung der Wälder noch erhöhen.
Nach dem Krieg brauchte man schnell Holz - und pflanzte Fichten und Kiefern
Die Kunst liegt in der Balance. Denn es ist möglich, Wälder naturnäher zu bewirtschaften, mehr noch: Es liegt sogar im Interesse ihrer Besitzer. Je besser die Wälder gemischt sind, desto widerstandsfähiger sind sie. Desto weniger laugen sie die Böden aus. Und was Wetterextreme in Monokulturen anrichten können, das haben viele Waldbauern nicht nur durch Emil schmerzlich erfahren müssen.
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Doch der Umbau von Wäldern ist eine zähe, eine zeitaufwendige Sache. Viele der Wälder, die der Hitze der vergangenen Jahre zum Opfer gefallen sind, haben ihre Wurzeln buchstäblich in der Nachkriegszeit. Damals musste schnell viel Holz her, zum Bauen und Brennen. Fichten und Kiefern versprachen am schnellsten viel Ertrag, also wurden sie großflächig angepflanzt. Über die Mischung im Wald machte sich in den Fünfzigern und Sechzigern kaum jemand Gedanken, geschweige denn über die Folgen einer künftigen Erderhitzung.
Ein Umbau wird erst in Jahrzehnten sichtbar werden
Auch ein Umbau der Wälder, hin zu widerstandsfähigeren Sorten, hin zu mehr Mischung, wird erst in Jahrzehnten sichtbar werden. Wer aber ein Interesse an einem robusten Wald mit stabilen Erträgen hat, kommt um diesen Umbau nicht herum - weg von großflächigen Nadelholz-Plantagen, hin zu Mischwäldern. Schon im Interesse derer, die den Wald mal erben sollen; und auch wenn Sägewerke die kerzengeraden Fichten noch so gern verarbeiten.
Soll aber der Wald komplett sich selbst überlassen bleiben, um wieder zurück zur Natur zu finden? Solche Forderungen werden derzeit lauter, dieser Tage etwa bei einem Waldgipfel in der Eifel. Doch der Wald, der sich da selbst überlassen bliebe, ist schon vom Menschen geprägt. Und nun bietet sich derzeit die Chance, den Wald zu verändern - der in Mitteleuropa schon seit Jahrhunderten kein Urwald mehr ist.
Das spricht nicht dagegen, Teile des deutschen Waldes sich selbst zu überlassen. Letztlich aber wird es immer um die Koexistenz von Mensch und Wald gehen, um eine nachhaltige, behutsame Nutzung. Denn das Ökosystem Wald ist ein gigantisches Naturkapital dieses Landes, es ist treuer und lebensnotwendiger als so manch anderes Kapital - und doch so bedroht.