Energiewende:Zahlenspiele

Kein Klimaziel ist zu hoch in diesem Wahlkampf. Doch dort, wo Klimaschutz tatsächlich passiert, geht seit Jahren nur wenig voran: beim Ökostrom. Ein Stillstand, der alle Ziele bedroht.

Von Michael Bauchmüller

Der Klimaschutz ist in diesem Wahlkampf eindeutig das Revier der Zahlenakrobaten. Soll Deutschland nun 2050, 2045 oder noch früher klimaneutral sein? Wird das letzte Kohlekraftwerk nun 2038, 2035 oder schon 2030 abgeschaltet? Wer in Zeiten der Flutkatastrophe als glaubhafter Klimaschützer dastehen will, legt jetzt noch rasch nach. Abgerechnet wird ja eh erst in ferner Zukunft.

Umso erstaunlicher ist der Gleichmut, mit der dieselben Klimaschützer den zähen Fortschritt bei der Energiewende hinnehmen. Auch dieses Jahr, so legen es neue Daten der Branche nahe, werden hierzulande nicht halb so viele Windräder aufgestellt, wie auf dem Weg zur Klimaneutralität nötig wären. Was auch daran liegt, dass Leute wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zwar sonntags einen früheren Kohleausstieg fordern, aber werktags an Regeln festhalten, die den Ausbau der Windkraft erschweren.

Mehr Ehrlichkeit täte gut in der Klimadebatte. Dazu gehört, dass es in diesem Land keine Alternative zu grünen Energien gibt, sollen die Klimaschädlinge Kohle, Öl und Gas verschwinden. Wirft eine künftige Regierung nach der Wahl nicht rasch einen Ökostrom-Turbo an, kann sie alle Zahlenspiele zu Klimaneutralität und Kohleausstieg getrost begraben. Aber wer weiß, vielleicht waren die auch nie so ernst gemeint.

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