Kemi Badenoch:Die Tory-Frau, die man noch kennenlernen wird

Lesezeit: 2 Min.

1980 in London geboren, aber aufgewachsen in Nigeria und den USA: Kemi Badenoch, Aspirantin für Downing Street No. 10. (Foto: Jonathan Hordle; ITV/dpa)

Kemi Badenoch war vor Wochen völlig unbekannt. Nun ist sie eine ernst zu nehmende Kandidatin für die Nachfolge von Boris Johnson.

Von Michael Neudecker

Als es vorbei war am Sonntagabend, so wird nun erzählt, sollen sich Rishi Sunak und Liz Truss angeschaut und gefragt haben: Warum tun wir uns das an? Am Montag dann teilten beide mit, dass sie so nicht weitermachen wollen. Sie zogen ihre Teilnahme an der für Dienstag geplanten dritten TV-Kandidatendebatte für die Nachfolge des britischen Premiers Boris Johnson zurück. Die zweite am Sonntagabend war ähnlich verheerend verlaufen wie schon die erste, am Freitag. Sky, der ausrichtende Sender, sagte daraufhin die Debatte ganz ab. Für Sunak, den Ex-Finanzminister, und Truss, die Außenministerin, mag das eine Erleichterung sein, nicht aber für Kemi Badenoch.

In beiden TV-Duellen griffen sich die fünf Kandidaten gegenseitig an, teils auf fiese Weise subtil, meist eher ungeniert offen, sodass man schnell vergessen konnte, dass es hier um einen parteiinternen Wettstreit geht. Wären die beiden Fernsehstudios Boxringe gewesen, wären nur die beiden Außenseiter Tom Tugendhat und Kemi Badenoch stehend aus dem Ring herausgekommen. Gerade Badenochs rhetorisches Geschick dürfte viel dazu beigetragen haben, dass genau die Parteimitglieder, die ihren Namen in Internetforen immer noch oft falsch schreiben, sie inzwischen in einzelnen Umfragen sogar vorne sehen. Noch vor ein paar Wochen haben jenseits von Westminster und Saffron Walden kaum Menschen je von Kemi Badenoch gehört, aber die Ereignislage lässt diese Wochen erscheinen wie Jahre.

Badenoch wurde 1980 im Londoner Stadtteil Wimbledon geboren, als Tochter nigerianischer Eltern, die Mutter ist Physiologieprofessorin, der Vater war ein GP, so heißen die Hausärzte in Großbritannien. Sie wuchs überwiegend in Lagos in Nigeria und in den USA auf, ehe sie mit 16 nach England zurückkehrte. Sie studierte Computertechnologie an der Universität Sussex, wo sie 2003 ihren Abschluss machte, danach arbeitete sie zunächst ein paar Jahre im IT-Sektor und studierte nebenbei Jura. 2005 trat sie in die Partei ein, da war sie 25. Zwölf Jahre später, 2017, wurde sie als Kandidatin für den sicheren Unterhaus-Sitz in Saffron Walden aufgestellt, einer ländlichen Region im Nordwesten Englands. Seitdem ist Kemi Badenoch Abgeordnete im britischen Unterhaus.

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Sie sieht vielleicht nicht so aus, wie man sich eine Tory-Politikerin vorstellt. Aber das täuscht

Es ist diese ihre Geschichte, die sie nun für einige in der Partei so interessant erscheinen lässt. Badenoch, 42 Jahre alt und Mutter von drei Kindern, hat zwar durchaus ein paar Tory-typische Einträge in ihrem Lebenslauf, sie arbeitete etwa eine Zeit lang im Finanzsektor, und sie war zwischenzeitlich in einer führenden Managementrolle beim Tory-nahen Magazin The Spectator, wo auch Boris Johnson schon Chefredakteur war. Aber sie kommt nicht aus dem für Tories üblichen Eton-Oxford-Cambridge-Umfeld, auch eine Kindheit in Lagos ist eher untypisch für Konservative.

Ihre politischen Positionen sind dabei zum Großteil genau jene der stramm konservativen Mitglieder, die bald darüber entscheiden werden, wer der nächste Premier wird. Sie ist überzeugte Brexit-Befürworterin, unter anderem werde sie zudem als Premierministerin dafür sorgen, wie sie sagte, dass die Polizei keine Zeit mehr auf das Bekämpfen der Hassrede im Internet verschwende, sondern sich stattdessen um "echte Verbrechen in der Nachbarschaft" kümmere. Schon früh sagte ihr Michael Gove, einer der prominentesten Tories, seine Unterstützung zu, er lobte vor allem ihren Intellekt und ihren "no-bullshit approach", ihre furchtlose Klarheit also.

Damit Kemi Badenoch tatsächlich am 6. September in Downing Street einziehen kann, müsste sie allerdings erst noch ein paar Runden in dieser Woche im Parlament überstehen. Die 358 Tory-Abgeordneten entscheiden über die beiden Finalisten - und die favorisierten bislang eher Sunak, Mordaunt und Truss. Dass von Kemi Badenoch in Zukunft noch häufiger zu hören sein wird, daran aber zweifelt bei den Tories niemand.

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