Bei erschwerter lebenslanger Haft gibt es in der Türkei kaum eine Chance, sie endet frühestens nach 30 Jahren oder mit dem Tod. Eine Strafe für Massenmörder? Nein, für einen Kulturmäzen. Osman Kavalas "Verbrechen" besteht darin, dass er sich eine demokratischere Türkei wünscht. Für Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist der 64-Jährige ein "Terrorist". Dessen Waffe: eine Kulturstiftung, genannt Anadolu Kültür, die der Unternehmer 2002 gründete. Mit ihr hat er seither Ausstellungen in Istanbul zur Erinnerung an die Vertreibung der Griechen, armenisch-türkische Jugendbegegnungen, ein kurdisches Kulturzentrum und viele andere künstlerische Initiativen unterstützt. Kavala war schon im Gefängnis, da formulierte er noch einmal, was ihn motiviert: "Die Hauptquelle für meinen Optimismus sind junge Leute, Künstler und viele denkende Menschen", die an eine "gemeinsame Vernunft glauben". Erdoğan stützt seine Macht auf eine Polarisierung der Gesellschaft, auf scharfe Kanten zwischen Freund und Feind. Da wird einer wie Kavala, ein unermüdlicher Versöhner und Mahner, der fordert, gesellschaftliche Gräben zu überwinden, zu einer leuchtenden und damit gefährlichen Symbolfigur für eine andere Türkei.
Türkei:Das Verbrechen, ein Versöhner zu sein
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Osman Kavala, der 64-jährige Kulturmäzen, soll mindestens 30 Jahre in Haft, obwohl selbst einer der Richter ihn nicht für schuldig hält. Aber Präsident Erdoğan sieht seine Macht durch ihn bedroht.

Gezi-Urteil:Schwerer Rückschlag für die Demokratie in der Türkei
Der Kulturmäzen Kavala wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Damit zerschlagen sich Hoffnungen, die Türkei orientiere sich im Zuge des Ukraine-Kriegs wieder Richtung Europa. Die USA halten das Urteil für "unvereinbar mit der Achtung der Menschenrechte".
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