Das Europäische Parlament hat versucht, es wie Pontius Pilatus zu machen und sich die Hände in Unschuld zu waschen: Das Parlament wollte sich aus einem Konflikt heraushalten - und landete prompt mittendrin. An diesem Dienstag wurde das Ergebnis der Abstimmungen bekannt, nach denen drei katalanischen Politikern die Immunität als Parlamentarier entzogen werden soll, unter ihnen der ehemalige Regionalpräsident Kataloniens Carles Puigdemont. Nun droht eine Auslieferung nach Spanien, wo ihnen der Prozess wegen Aufruhrs und Veruntreuung von Steuergeld gemacht werden soll.
Wer zum Optimismus neigt, könnte aus diesem Abstimmungsergebnis herauslesen, dass hier die Trennung von Politik und Justiz gestärkt werden sollte, die Grundlage des modernen Rechtsstaates. Die Interpretation der spanischen Regierung lautet entsprechend: Endlich sei der Weg frei, damit die spanische Justiz ihre Arbeit machen könne. Allerdings deutet allein der Umstand, dass die Regierung sich am Tag nach der Abstimmung öffentlich zu dieser Deutung hinreißen lässt, darauf hin, dass die Trennung von Politik und Justiz im Katalonien-Konflikt mindestens kompliziert ist.
Das katalanische Unabhängigkeitsstreben ist ein innerspanischer Konflikt, der nur im Land und nur durch Dialog zu lösen ist. Dennoch hat er längst Strahlkraft über die spanischen Grenzen hinaus entwickelt. Zum einen liegt das daran, dass die Unabhängigkeitsbefürworter international sehr gezieltes Lobbying für ihre Anliegen betreiben. Zum anderen bietet sich Katalonien als Projektionsfläche für viele an, die sich selbst zu den Unterdrückten zählen. Es ist die alte Geschichte von Klein gegen Groß - und das EU-Parlament hat sich gerade in die Rolle des ungeliebten Großen katapultiert.