Khashoggi-Prozess:Der Mordfall wird zum Spielball

Lesezeit: 1 Min.

Hatice Cengiz im Jahr 2021 vor einem Gedenkfoto ihres getöteten Verlobten in Washington. (Foto: Nicholas Kamm/AFP)

Der Journalist wurde im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet. Dass der Prozess nun in Riad stattfinden soll, zeigt: Erdoğan ging es nie um Gerechtigkeit, sondern nur um moralische Symbolpolitik.

Kommentar von Dunja Ramadan

Um kurz den Fall des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Erinnerung zu rufen: 2018 wurde der Regimekritiker, als er Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit benötigte, im saudischen Konsulat in Istanbul von einem eigens angereisten Mordkommando zersägt. Seine Leiche ist bis heute unauffindbar. Und nun verlegt die türkische Justiz den Mordprozess ausgerechnet in die Hände saudischer Behörden, die ihn bereits zu Lebzeiten als Zielscheibe ausgemacht haben. Das ist ein Skandal.

Zwar leugnet der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bis heute, etwas mit dem Mord an Khashoggi zu tun zu haben. Doch US-Geheimdienste sehen es angesichts der Beteiligung seiner wichtigsten Berater und seiner Position als De-Facto-Herrscher im Land als erwiesen an, dass so eine Operation nicht einfach irgendjemand in Auftrag geben kann.

Kurz nach dem Mord war es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der den internationalen Druck auf Riad erhöhte, indem er verkündete, dass der Mord bereits Tage im Voraus geplant war, und die Tonaufnahme von Khashoggis Ermordung an Länder wie die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien weitergab. Die jetzige Kehrtwende zeigt: Ankara nutzte den bestialischen Mord, um sich als moralisch überlegen zu inszenieren im Konflikt mit Riad um die Führungsrolle in der islamischen Welt.

Der Kurswechsel deutete sich schon länger an: Die Türkei steckt in einer Währungskrise, die ideologischen Gräben zwischen Saudi-Arabien und der Türkei müssen also im Zuge der Realpolitik schnellstmöglich geschlossen werden. Die türkische Justiz hat mit der Abgabe des Mordprozesses ein politisches Zugeständnis an Riad gemacht, damit Ankara ein neues - wirtschaftlich hoffentlich hoch profitables - Kapitel mit den Golfstaaten aufschlagen kann. Der Mordfall Khashoggi ist damit zu einem Element türkischer Annäherungsmanöver verkommen.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass Khashoggi in der saudischen Botschaft in Ankara ermordet wurde. Es handelt sich jedoch um das saudi-arabische Generalkonsulat in Istanbul.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: