Süddeutsche Zeitung

Kanzlerkandidatur:Der Ungeschickte und der Trickser

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Armin Laschet gerät in die Defensive; Markus Söder kopiert derweil dessen Ideen und spielt sich auf: Wie die Konkurrenz der beiden Anwärter um die Kanzlerkandidatur der Union eine sinnvolle Corona-Politik behindert.

Kommentar von Christian Wernicke

Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe. Frei nach diesem Motto hat Ministerpräsident Markus Söder soeben die Pandemie-Regeln in Bayern gelockert - und zu diesem Zweck ausgerechnet jene Corona-Notbremse aus Nordrhein-Westfalen kopiert, die dem dortigen Regierungschef Armin Laschet gestrenge Schelte von der Kanzlerin bescherte. Frechheit siegt?

Söder und Laschet, das weiß jedes Kind, sind Konkurrenten. Beide möchten gern demnächst die Republik regieren, weshalb beide derzeit um die Kanzlerkandidatur der Union buhlen. Das politische Schlachtfeld, auf dem dieser Zweikampf entschieden wird, ist der Kampf gegen das Virus: Der Streit um die Spitzenkandidatur von CDU und CSU ist Deutschlands spektakulärster Corona-Test. Rein objektiv - also etwa gemessen an der Wocheninzidenz ihrer Bundesländer - steht der Rheinländer Laschet (mit 106,9 für NRW) gerade ein wenig besser da als der Franke (mit 119,0 für Bayern). Nur, darum geht es nicht. Jede Umfrage zeigt, der Schein bestimmt das Sein: Söder, dem vermeintlich härtesten Lockdowner, ist es in den vergangenen 13 Monaten weitaus besser gelungen, sich als Seuchen-Manager zu profilieren als Laschet, dem angeblich unbedachten Lockerer.

Merkels Urteil war für Laschet vernichtend

Seit dem Frühsommer vorigen Jahres macht Laschet dieser Image-Schaden zu schaffen. Mit fahrigen Auftritten wie jüngst beim eigentlich richtigen, aber miserabel präsentierten Vorstoß für einen "Brücken-Lockdown" bestätigt der Aachener das eigene Zerrbild. Nur, nichts hat den CDU-Vorsitzenden zuletzt so in Verruf gebracht wie die Kritik von Angela Merkel. Das Urteil der am meisten respektierten Corona-Politikerin, die NRW-Version der Corona-Notbremse verstoße gegen die Beschlüsse der Ministerpräsidenten-Konferenz, war für Laschet vernichtend.

Tatsächlich hat die Regierung in Düsseldorf überaus freihändig agiert. Laut Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 3. März sollen, falls in einem Land oder einer Region die Wochen-Inzidenz über den Schwellenwert von 100 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner klettert, dort wieder die meisten Geschäfte geschlossen und auch das Einkaufen mit Termin (Click and Meet) untersagt werden. Laschet jedoch öffnete eine Hintertür: Wer einen negativen Corona-Test vorweisen könne, dürfe jeweils 24 Stunden lang weiter shoppen.

Laschets Motiv ist zwar erwägenswert: Er will Menschen zum Testen motivieren und so Infizierte ohne Symptome aufspüren. Für seine Behauptung jedoch, er erfülle damit einen "Auftrag" der MPK, findet sich auf keinem Fetzen Beschluss-Papier ein Beweis. Deshalb die Rüge der Mutter der Nation. Söder nutzte diese Vorlage prompt, um den Merkel-Erben zu geben ("Ich unterstütze die Kanzlerin") und zu sticheln, wie "sehr seltsam" es doch sei, dass der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin streite. Tue man nicht!

Kurz darauf reibt man sich die Augen: Auftritt von Söder, dem Plagiator. Der Bayer übernimmt quasi per Copy and Paste die gescholtene NRW-Mutante der Notbremse - und beteuert leutselig, in den trickreich geöffneten Geschäften lauere ja "mit Abstand das geringste Infektionsrisiko". Solcherlei Dreistigkeit riskiert nur, wer sich unverletzlich wähnt. "Quod licet Iovi, non licet bovi," reimten die Römer: "Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt." Laschet mag mal wieder der Dumme sein - aber für was hält sich Söder?

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