Joe Biden hat Wladimir Putin einen "Killer" genannt. Ist das die hohe Schule der Diplomatie? Nein. Ist es die Wahrheit? Ja. Der russische Präsident hetzt politischen Gegnern Mordkommandos auf den Hals. Insofern ist die Wortwahl des US-Präsidenten nicht falsch.
Moskaus Empörung ist ja auch nur gespielt. Ein wichtiger Bestandteil von Putins Machterhaltungsstrategie ist, dass jeder weiß, dass er ein Killer ist. Dass es nicht nur gefährlich ist, in Opposition zu ihm zu stehen, sondern lebensgefährlich. Natürlich bestreitet Putin die Verantwortung für die Anschläge, die seine Agenten verüben. Aber er gibt sich dabei keine Mühe zu verbergen, dass er lügt.
Für das russisch-amerikanische Verhältnis ist eine andere Frage wichtiger: Redet Biden so wuchtig daher, weil er in einer Position der Stärke gegenüber Russland ist, oder will er dadurch eine gewisse Schwäche übertünchen? Und wenn man diese Frage ehrlich beantwortet, muss sich Wladimir Putin wenig Sorgen machen. Das liegt nicht zuletzt an der deutschen Regierung. Dass selbst Amerikas engster Verbündeter in Europa lieber mit - um Biden zu zitieren - dem Killer eine überflüssige Gaspipeline baut, als die Bedenken der Freunde in Washington dagegen ernst zu nehmen, dürfte Putin über die Unhöflichkeit aus dem Weißen Haus hinwegtrösten.