Um zu verstehen, wie tief der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo gefallen ist, muss man noch einmal ein gutes Jahr zurückblicken. Damals führte Cuomo den Bundesstaat und die Stadt New York entschlossen durch die Pandemie. Durch seine täglichen Briefings wurde er zu einer nationalen Berühmtheit, und nicht wenige Demokraten fragten, ob nicht Cuomo in Wahrheit der bessere Präsidentschaftskandidat sei als Joe Biden. Der Gouverneur genoss seine Zeit im Rampenlicht. Man tritt Cuomo nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er ein sehr eitler Politiker ist.
Neben seiner Eitelkeit charakterisierte ihn vor allem sein taktisches Geschick und sein teils brutaler Wille zur Macht. Seit Januar 2011 war er Gouverneur. Er hat seine Gegner - und davon gab es stets viele - in diesen zehn Jahren konsequent bekämpft. In seiner Rücksichtslosigkeit ist er dem vormaligen Präsidenten Donald Trump nicht unähnlich.
Es war deshalb allenthalben erwartet worden, dass Cuomo auch nun wieder in den Kampf ziehen würde, obwohl mehrere Frauen Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn erhoben hatten. Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James hatte diese Vorwürfe in der vergangenen Woche als valide und glaubwürdig bewertet.
Cuomo hofft wohl, sich ein demütigendes Impeachment zu ersparen
Zwei Motive dürften hinter seinem angekündigten Rücktritt stehen. Erstens ist der Druck aus der eigenen Partei zu groß gewesen. Selbst der Präsident hatte Cuomo öffentlich dazu aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Zweitens hofft Cuomo wohl, sich auf diese Weise ein demütigendes Impeachment zu ersparen. Er war, wie gesagt, nie zimperlich, und man darf davon ausgehen, dass ein Amtsenthebungsverfahren einiges ans Licht gebracht hätte, das Cuomo lieber nicht öffentlich ausgebreitet sähe.
Abgesehen von diesen Überlegungen ist sein Rücktritt vor allen Dingen eines: richtig. Die Vorwürfe sind bestens belegt, und es geht eben nicht nur um ein paar altväterliche Bemerkungen und um ein Tätscheln hier und da, wie der Gouverneur glauben machen wollte. Mit Cuomo wäre in New York zudem keine geordnete Regierungspolitik mehr möglich gewesen. Genau die aber braucht es in Zeiten der sich hartnäckig haltenden Pandemie.
So wird die dritte Amtszeit Cuomos einerseits vorzeitig und andererseits mit einer interessanten Pointe enden: Seine designierte Nachfolgerin Kathy Hochul übernimmt den Posten an der Spitze des Bundesstaats als erste Frau.