Manchmal hat der Mensch verdammt viel Pech - und während einer Pandemie Bundesgesundheitsminister zu sein, ist unzweifelhaft so ein Fall. Also ja, die Umstände sind historisch schwierig. Aber alles lässt sich darauf nicht schieben. Die Performance, die Jens Spahn in den vergangenen Monaten in diesem Job abgeliefert hat, ist hart zu kritisieren.
Denn auch unabhängig von dem aktuellen, skurrilen Streit mit dem Bundesarbeitsminister um Masken für Obdachlose oder Menschen mit Behinderung ist die Liste an Pannen und Peinlichkeiten rund um das Bundesgesundheitsministerium lang. Neben dem Masken-Chaos stehen da auch noch der Betrug in Corona-Testzentren, das Durcheinander um die Kinder-Impfung und die Verwirrung um den digitalen Impfnachweis - und das ist nur die Bilanz der vergangenen Wochen. Blickt man weiter zurück, etwa auf die Maskenbeschaffung am Anfang der Pandemie, auf die Teststrategie, auf die Impfkampagne, die Digitalisierung der Gesundheitsämter, auf die Corona-Warn-App, dann muss man sagen: Klar, es waren sehr viele Aufgaben, bloß wurde leider keine einzige richtig gut erledigt. Dazu leistete sich Spahn politische Instinktlosigkeiten: Terminzusagen, die nicht eingehalten wurden, etwa bei der Maskenverteilung oder bei den Impfdosen, alles garniert mit hochpeinlichen Possen um seine privaten Immobiliengeschäfte.
Jeden einzelnen dieser Punkte könnte man diskutieren, analysieren, relativieren, aber in der Summe bleibt das Bild von einem Minister, der nicht solide genug arbeitet. Der Zusagen macht, ohne sie auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen, wie bei der holprigen Einführung der Bürgertests. Der Aufgaben verteilt, ohne alle Beteiligten einzubinden - etwa als er verkündete, niedergelassene Ärzte sollten nachträgliche Impfzertifikate ausstellen, obwohl die ihm mit Verweis auf Bürokratie und Überlastung nicht mal ein müdes Lächeln schenken. Und der mit Zertifikaten mindestens lässig umgegangen ist, wie in der aktuellen Masken-Causa zu sehen.
Politik ist immer die Kunst, zwei verschiedene Felder gleichzeitig zu beackern: das der trockenen Sachpolitik, in dem es vor allem darum geht, Dinge voranzubringen und das eigene Haus zu managen. Und jenes der Inszenierung, die dem Publikum das Gefühl geben soll, hier habe jemand die Lage im Griff: Alles ist großartig, wählen Sie uns bald wieder!
Spahn fehlt das Gespür, wann Gründlichkeit angebracht ist und wann Pragmatismus
Jens Spahn hat in beiden Feldern zuletzt keine gute Figur gemacht. Dabei ist natürlich nicht alles, was in der deutschen Pandemiepolitik falsch gelaufen ist, seine Schuld. Der Föderalismus erlebte bittere Stunden, wenn es um die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ging. Das Chaos rund um das Vakzin von Astra Zeneca, das das Vertrauen in die Impfkampagne nachhaltig untergraben hat, muss man vor allem der Europäischen Arzneimittelagentur anlasten. Aber trotzdem wurde vieles unter Spahns Verantwortung zu lässig gehandhabt, wo man besser genauer hingeschaut hätte, wie bei Maskenkäufen und Testzentren - und zu bürokratisch, wo man Pragmatismus gebraucht hätte, etwa beim Impfen.
Man werde einander einiges verzeihen müssen, hat Jens Spahn in einer frühen Phase dieser Pandemie gesagt, es war ein Satz von bemerkenswerter Weitsicht. Vielleicht könnte er diese vorausschauende Seite an sich ja demnächst mal wieder entdecken. Nur für den Fall, dass die vierte Welle doch noch kommt.