Süddeutsche Zeitung

Profil:Jens Plötner

Außenpolitischer Berater des Bundeskanzlers auf erster Mission in Moskau.

Von Stefan Kornelius

Nicht alle, die in diesen Tagen über das Schicksal der Ukraine verhandeln, können behaupten, sie seien dabei gewesen. Jens Plötner aber war dabei, als im Februar 2014 die Demonstranten auf dem Kiewer Maidan Präsident Viktor Janukowitsch in die Flucht schlugen. Plötner wartete vor dem Präsidentenzimmer, in dem der polnische und der deutsche Außenminister auf Janukowitsch einredeten, und verfasste im Auftrag seines Chefs Frank-Walter Steinmeier einen Vertrag, der dem ukrainischen Präsidenten für kurze Stunden einen Ausweg aus der selbstgebauten Falle bieten sollte. Bald aber schloss sich das Fenster: Die Aufständischen wollten ihren Sieg, Janukowitschs Sicherheitskräfte waren nicht mehr zu kontrollieren, und aus Moskau kam in Verkennung der Ausweglosigkeit ein Njet zum Vertrag.

Plötner war zu diesem Zeitpunkt Büroleiter des Ministers und damit einer aus dem engsten Beraterkreis, der Steinmeier in unterschiedlicher Funktion durch zwei Ministerperioden gefolgt war. Dass er heute als außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz fungiert, wäre ohne diese loyale Nähe kaum vorstellbar.

In der neuen Funktion wurde Plötner jetzt mit der ersten öffentlich bekannten Mission betraut: eine Reise mit Macrons außenpolitischem Berater, Emmanuel Bonne, nach Moskau zu Dmitrij Kosak, dem Ukraine-Experten Wladimir Putins. Auch wenn außer dem Bundeskanzler vermutlich nur sehr wenige die Details aus dem Gespräch erfahren werden, so liegt in der Geste bereits das Politikum. Nachdem der russische Präsident zunächst nur mit den USA seine Ukraine-Forderungen diskutieren wollte, haben Plötner und Bonne nun den europäischen Fuß in die Tür gestellt und klargemacht, dass dieser Konflikt, siehe oben, von Beginn an auch eine europäische Angelegenheit war. Freilich trübt das Bild, dass Putins außenpolitischer Chefberater, Jurij Uschakow, das Gespräch auf Augenhöhe verweigerte.

Seltener Wechsel: vom Auswärtigen Amt ins Kanzleramt

Man kann behaupten, dass sich Plötner seit Jahren auf die neue Rolle vorbereitet hat, auch wenn der Wechsel von der Position des AL2 im Auswärtigen Amt auf den Platz des AL2 im Kanzleramt zunächst keine bessere Besoldung mit sich bringt. Abteilungsleiter zwei oder Politischer Direktor ist im Auswärtigen Amt die Rolle des Generalbevollmächtigten für alle Weltkrisen, zuständig für Europa, USA, Zentralasien und Sicherheitspolitik. In dieser Rolle hat Plötner alle wichtigen Dossiers mit Ausnahme Chinas gestaltet, vor allem die Ukraine-Krise und das Iran-Paket. Anders als der Minister oder die Staatssekretäre ist der AL2 tatsächlich der First Responder im diplomatischen Geschäft. Vor Plötner brachte nur Dieter Kastrup diese Erfahrung mit ins Kanzleramt, als er Gerhard Schröder für kurze Zeit als Nothelfer den außenpolitischen Apparat ordnete.

Plötner bringt neben der inhaltlichen Erfahrung die intime Kenntnis des Auswärtigen Amts mit, was ihn nicht notwendigerweise zum Verbündeten des Ministeriums macht. Allerdings hat sich in den Merkel-Jahren auch unter dem hochaktiven Außenminister Steinmeier gezeigt, dass Außenpolitik immer dann funktioniert, wenn die sogenannte zweite Ebene der beiden Häuser gut miteinander konnte. In Plötners Fall wird sein Mitspieler unter Annalena Baerbock Staatssekretär Andreas Michaelis sein, der ebenfalls aus dem Kreis der Vertrauten Joschka Fischers und Steinmeiers entschlüpft ist.

Plötner, 54, ist analytisch stark, ehrgeizig und sich seiner Außenwirkung bewusst. Die Eitelkeiten der Branche kennt er und weiß sie für sich zu nutzen. Als Büroleiter Steinmeiers war er respektiert bis gefürchtet, als Politischer Direktor unter Minister Heiko Maas versuchte er nach dem Afghanistan-Debakel zu retten, was zu retten war. Nun liegen zwischen ihm und dem Regierungschef (und dessen außenpolitisch sehr versiertem Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt) zwei Stockwerke. Ob Olaf Scholz die Außenpolitik für sich entdeckt, muss sich freilich noch zeigen.

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