Profil:Jan Hofer

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(Foto: Christoph Hardt/Imago Images)

"Tagesschau"-Legende, nun vor dem Übertritt zu RTL

Von Holger Gertz

Man kennt das Prinzip aus alten Zeiten der Fußball-Bundesliga. Ein Verein verpflichtet einen Spieler, der anderswo zur Legende geworden ist, aber vermutlich noch ein paar ganz gute Jahre im Tank hat. Manchmal stellt sich dann heraus, dass die Legende doch schon etwas verbraucht ist. Manchmal aber erblüht sie im neuen Umfeld, und dann ist es immer eine schöne, warme Geschichte: So war es jedenfalls, als Franz Beckenbauer zum HSV ging, Bernd Schuster zu Bayer Leverkusen, Raúl zu Schalke.

Wenn demnächst Jan Hofer, 69, die News bei RTL verlesen wird, fühlt sich das ähnlich an. Ihn jetzt zum Raúl des Nachrichtenwesens verklären zu wollen, ist womöglich zu hoch gegriffen einerseits, denn dessen Eleganz am Ball erreicht Hofer beim Tanzen nicht, wenn er in der RTL-Show "Let's dance" übers Parkett zu federn versucht. Andererseits bewegt Hofer sich dann doch recht flüssig, jedenfalls für einen Mann, dessen Beine 35 Jahre hinter einem öffentlich-rechtlich ausgerichteten Sprecherpult verborgen waren - so lange hat er die Nachrichten in der ARD-"Tagesschau" verlesen. Im Dezember 2020 war Zeit für die Rente, und in seiner allerletzten Sendung untermalte Hofer sein Showtalent, indem er sich schwungvoll eines maßgebenden Kleidungsstücks entledigte, seiner Krawatte. So ohne Schlips sah er ganz anders aus.

Was er auch schon moderierte: die Wahl zur Weinkönigin

Wenn ein Nachrichtensprecher auf einmal anders aussieht als sonst, fremdelt sein Publikum. Karl-Heinz Köpcke, eine "Tagesschau"-Legende der Frühzeit, kam einmal mit Schnauzbart aus dem Urlaub zurück, dieser Anblick erschütterte das Publikum. Das war in den frühen Siebzigern, das Leben war bewegt genug, und die Leute brauchten Konstanten, sie wollten nicht, dass der Nachrichtensprecher auf einmal einen Bart hat. Köpcke rasierte sich. Hofers Krawattennummer wurde dagegen unaufgeregt zur Kenntnis genommen. Dieser Chefsprecher hatte schließlich sein Publikum all die Jahre daran gewöhnt, dass ein Mensch seriös sein kann, aber auch verspielt. Er moderierte Talkshows, Galas und sogar die "Wahl der deutschen Weinkönigin", bei der man sich den alten Köpcke weiß Gott nicht hätte vorstellen können. So ändern sich die Zeiten.

Dieses sei das Außergewöhnliche an Hofer, stand mal in der Frankfurter Rundschau: "Er könnte jederzeit auch noch einen Fernsehkoch und einen Privatdetektiv im Fernsehen mimen, ohne dass das dem Image der ,Tagesschau' schaden würde." So gesehen gute Voraussetzungen jetzt für den Übertritt zu den Privaten, wo man ja Wert legt auf eine gewisse Fluffigkeit auch im seriösen Segment. Hofer, geboren in Büderich am Niederrhein, ausgebildet unter anderem beim Saarländischen Rundfunk, ist auch im Privaten daran gewohnt, das gute Alte in Ehren zu halten: Er schraubt und wienert an Oldtimern herum.

Einer beeindruckte ihn besonders. Er las alles von ihm

Beruflich, hat er mal erzählt, habe ihn niemand mehr beeindruckt als der ,Tagesthemen'-Anchorman Hanns Joachim Friedrichs. Sie haben das Publikum gemeinsam durch Momente der Weltgeschichte geführt, Friedrichs war etwa 1989 am Abend des Mauerfalls der Moderator, Hofer kümmerte sich um den Nachrichtenblock. Irgendwann hat er das Protokoll jeder Sendung, die Friedrichs moderiert hat, nachgelesen, jede Moderation - um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie man das macht, Präzision mit Lockerheit zusammenzubringen.

Dem Nachrichtensprecher bleibt da wenig Spielraum, er soll neutral sein und möglichst sogar das Papierrascheln unterlassen. Aber wenn Hofer bei RTL nicht nur Sprecher ist, sondern ein bisschen mehr auch Präsentator, könnte ihm der Anschauungsunterricht damals bei Friedrichs noch nützlich sein. Und RTL würde profitieren von seiner etwas antizyklischen Idee, auf Legenden zu setzen: Thomas Gottschalk demnächst als Juror bei DSDS, Uli Hoeneß gerade als Experte beim Fußball. Dessen Auftritt im Länderspiel gegen Island immerhin hatte auch für Jan Hofer eine Botschaft: Es gibt noch Luft nach oben.

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