Süddeutsche Zeitung

Jack Sweeney:Der die Oligarchen jagt

Wie ein junger Amerikaner vom Nerd zum Schrecken reicher Putin-Freunde wurde.

Von Jannis Brühl

Am Wochenende hat sich Jack Sweeney die Yachten vorgenommen. Die Titan von Alexander Abramow, die Lady Gulya, die wohl Alischer Usmanow gehört, oder die Solaris von Roman Abramowitsch. Über sein neues Twitter-Konto @RussiaYachts soll die Welt nun die Luxus-Boote der russischen Milliardäre live auf ihren Bildschirmen verfolgen können, egal ob sie zu den Malediven oder nach Dubai fahren.

Die Yachten gehören zum Teuersten, das auf den Weltmeeren herumschippert, und sind nun Spielsteine im Kampf zwischen Russland und dem Westen, der sich hinter der Ukraine versammelt hat. Mehrere russische Oligarchen müssen damit rechnen, dass ihr Eigentum im Ausland beschlagnahmt wird. Die Sanktionen richten sich gegen jene, die mitgeholfen haben, die Ukraine zu "destabilisieren", wie es in den EU-Sanktionsverordnungen heißt.

Da kommt der 19-jährige Informatikstudent aus Florida ins Spiel. Sweeney ist binnen kurzer Zeit zur Nervensäge der Superreichen geworden. Er betreibt mehrere Konten auf Twitter, die automatisiert Privatflugzeuge nachverfolgen und bald eben auch Yachten. Dafür programmiert Sweeney sogenannte Bots: kleine Software-Programme, die im Live-Betrieb Satellitendaten nutzen, um auf kleinen Kartenausschnitten die aktuelle Position der Flugzeuge anzuzeigen. Öffentlich sind viele der Daten schon, alle Flugzeuge und Lotsen sollen auf dem gleichen Stand sein. Sweeney macht sie nun Hunderttausenden auf Twitter leicht zugänglich. Die sahen vergangene Woche zum Beispiel, wie Abramowitschs Helikopter Karibikinseln wie Barbuda und Antigua anflog - vermutlich von seiner Yacht aus. Versuche von Promis, ihre Maschinen nichtidentifizierbar zu machen, umgeht Sweeney, indem er verschiedene Datenbanken miteinander kurzschließt. Das ist technisch aufwendig, aber nicht illegal.

"Es ist ein Hobby - und ich finde es wirklich cool"

Der Luftfahrt-Fan wurde kurz vor dem Krieg bekannt, weil er den Privatjet von Tesla-Chef Elon Musk auf Twitter öffentlich trackte, also überwachte. Sweeneys Interaktion mit dem reichsten Mann der Welt ging um ebenjene. Er möge aufhören, die Aufmerksamkeit auf sein Flugzeug zu lenken, schrieb Musk laut Nachrichten, die Sweeney veröffentlichte: "Ich mag den Gedanken nicht, von einem Irren abgeschossen zu werden." Sweeney versuchte, 50 000 Dollar, einen Tesla oder wenigstens ein Praktikum bei Musks Unternehmen für sich rauszuhandeln - was ihm einige als Erpressung auslegten.

Auch die Routen der Flugzeuge anderer Berühmtheiten hat Sweeney im Visier. Auf seinem Konto @CelebJets ließ sich am Montag nachvollziehen, dass Oprah Winfreys Gulfstream-Jet gerade auf Hawaii gelandet war. In Interviews erklärt der etwas gelangweilt wirkende Teenager mit monotoner Stimme: "Es ist ein Hobby - und ich finde es wirklich cool." Musk wolle er nicht schaden, er sei einfach ein Fan des Unternehmers. Auch Sweeney hat mittlerweile Fans, und einige wünschten sich nun, dass er sich die Oligarchen-Maschinen vornimmt.

Sweeney bekommt viel Aufmerksamkeit, dabei ist es keineswegs neu, Flugzeugen nachzuspüren. Die Subkultur des plane spotting ist praktisch so alt wie die Luftfahrt. An Flughäfen beobachten und fotografieren Hobbyisten Starts und Landungen. Im Zweiten Weltkrieg mobilisierten britische Militärs diese Amateure sogar, um deutsche Eindringlinge in ihren Lufträumen zu finden.

Das Internet ermöglicht nun allen Menschen sogenanntes radar spotting: Flugzeuge senden etwa einmal in der Sekunde Position, Kennung, Start und Ziel aus. ADS-B heißt das System, das sich Sweeney zunutze macht und seine Bots anzapfen lässt. Solche Daten fließen auch an Webseiten wie Flightradar24, wo sich Flüge live auf der Weltkarte beobachten lassen. Dort sieht man derzeit zum Beispiel von Ostpolen über die Republik Moldau bis Westrussland keine Flugzeugsymbole mehr. Der Luftraum über der Ukraine ist gesperrt. Zu gefährlich.

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