Süddeutsche Zeitung

Israel:Wie es ihm gefällt

Benjamin Netanjahu stellt seine persönlichen Pläne über das Wohl des Landes. Um nach der Wahl eine neue Koalition zu bilden, wird er alles Mögliche versprechen - keine gute Nachricht für den Nahen Osten.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat den Bürgerinnen und Bürgern seines Landes zum vierten Mal binnen zwei Jahren eine Wahl aufgezwungen, die einzig und alleine seinem Machterhalt dienen sollte. Er stellt seine persönlichen und politischen Interessen über das Wohl des Landes. Damit beschädigt er die Demokratie in Israel nachhaltig: Gewählt wird, wann es ihm beliebt. Nicht umsonst nennt man Netanjahu in Israel auch "König Bibi".

Netanjahu und seine Familie betrachten den Staat als Selbstbedienungsladen, wie nicht nur Schilderungen ihrer Angestellten, sondern auch juristische Auseinandersetzungen zeigen. Der israelische Regierungschef polarisiert, das Lager seiner Anhänger und Gegner ist etwa gleich groß. Daran hat weder die Tatsache, dass Netanjahu als erster amtierender Regierungschef Israels wegen Korruption vor Gericht steht, etwas geändert, noch die gut organisierte Impfkampagne. Jeder andere Politiker würde sich nach vier Wahlgängen und Auftritten vor Gericht mit Rücktrittsgedanken beschäftigen. Nicht so Netanjahu. Er wird weiter kämpfen und versuchen, eine Mehrheit zustande zu bringen. Wenn nicht, wird eben zum fünften Mal gewählt.

Für eine neue Koalition ist er bereit, jeglichen politischen Preis zu zahlen und bisher Undenkbares zu versprechen. Was seine Beteuerungen wert sind, weiß Benny Gantz, der sich zuletzt auf eine Koalition mit Netanjahu eingelassen hat. Er ist Netanjahus Behauptung auf den Leim gegangen, angesichts der großen Herausforderungen durch die Pandemie brauche es eine große Koalition.

Sein Plan: die rechteste Regierung, die Israel je hatte

Durch die Einbeziehung seines schärfsten politischen Konkurrenten hat Netanjahu diesen zum Bruch seines Wahlversprechens verleitet, schließlich ließ er Gantz fallen. Die Wähler haben den früheren Militärchef, der als politischer Hoffnungsträger galt, für seine Naivität zu Recht abgestraft.

Benjamin Netanjahu ist ein politischer Überlebenskünstler. Er hat einen politischen Rivalen nach dem anderen aus dem Weg geräumt; viele von denen gründeten dann eigene Parteien, die Netanjahu aber nie wirklich gefährlich werden konnten. So präsentiert er sich als einzige Option für das Amt des Regierungschefs, als politisches Schwergewicht von internationalem Format.

Er hat tatsächlich Israels Wirtschaftsentwicklung vorangetrieben und eine Normalisierung der Beziehungen zu arabischen Staaten eingeleitet. Gleichzeitig ist in seinen 15 Regierungsjahren das ganze Land politisch weiter nach rechts gerückt, wozu auch die Selbstdemontage der Arbeitspartei beigetragen hat. Zu den Folgen von Netanjahus Politik gehört auch, dass das gesellschaftliche Klima in Israel vergiftet ist.

Diese Spaltung wird eine neue Regierung unter seiner Führung weiter vorantreiben. Sollte ihm erneut die Bildung einer Koalition nach zig nervenaufreibenden Wendungen gelingen, wird es die rechteste Regierung sein, die Israel je hatte. Naftali Bennett, dem diesmal die Rolle des Königsmachers zukommt, steht als Vertreter der Siedler politisch noch weiter rechts als Netanjahu. Ausgleichende oder mäßigende politische Figuren wie Ehud Barak oder zuletzt Benny Gantz werden nicht in diesem Kabinett vertreten sein. Und die Auseinandersetzungen mit der palästinensischen Führung werden an Schärfe zunehmen. Damit erwächst auch für US-Präsident Joe Biden ein neues Problem im Nahen Osten.

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