Nahost:Netanjahu als Profiteur

Nach den Unruhen auf dem Jerusalemer Tempelberg ist Israels Premier gefordert. Denn ein Auseinanderbrechen der Koalition könnte Benjamin Netanjahu wieder an die Macht bringen.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid

Die komplizierteste Koalition, die Israel je hatte, ist mehr als nur ins Wanken geraten. Die arabische Raam-Partei setzt nach den Zusammenstößen auf dem Jerusalemer Tempelberg ihre Regierungsbeteiligung aus. Ein Aussetzen ist aber noch kein Ausscheiden, das wäre das sichere Ende dieses Acht-Parteien-Bündnisses. Premierminister Naftali Bennett und sein Rotationspartner an der Spitze der Regierung, Jair Lapid, müssen die Parlamentspause bis zum 8. Mai nutzen, um wieder eine tragfähige Basis für eine weitere Zusammenarbeit zu schaffen.

Die beiden müssen aus eigenem Interesse alles daran setzen, die Lage zu beruhigen. Deshalb ist es ein Beitrag zur Deeskalation, dass die Polizei Pläne für weitere Aufmärsche von jüdischen Extremisten auf dem Tempelberg am Dienstag vorerst untersagt hat. Das Eindringen von israelischen Sicherheitskräften in die Al-Aksa-Moschee hat nicht nur die Gläubigen dort in Aufruhr versetzt, sondern auch Jordanien alarmiert, das einen Wächterstatus über den Tempelberg innehat. Mit dem Eindringen in die drittheiligste Stätte des Islam wurde eine rote Linie überschritten.

Gleichzeitig ist die Führung in Ramallah und in Gaza aufgerufen, gegen die Extremisten unter den Palästinensern vorzugehen, die für die jüngsten Selbstmordanschläge in Israel verantwortlich sind. Da Verbindungen zum IS bestehen, ist das auch in ihrem Interesse. Es ist auffällig, dass nur eine einzelne Rakete aus dem Gazastreifen Richtung Israel abgefeuert wurde und Israel darauf auch nur mit einer einzelnen Militäraktion reagiert hat. Damit wurde zwar die seit vier Monaten herrschende fragile Waffenruhe durchbrochen, aber auf der niedrigsten Eskalationsstufe, die möglich ist. Scheitern die Bemühungen nach Deeskalation und bricht die Koalition in Israel auseinander, dann profitiert einer davon: Benjamin Netanjahu, der sich bereits um eine "Regierung der Rechten" bemüht, um so wieder an die Macht zu kommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: