Süddeutsche Zeitung

Israel:Mal Macher, mal Messias

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In wenigen Tagen schon könnte Naftali Bennett als Premierminister einer Rechts-links-Mitte-Koalition Israel regieren. Von oftmals bescheidenen Wahlergebnissen hat er sich auf seinem Weg nicht beirren lassen.

Von Peter Münch

Es war ein Auftritt zum Üben: Staatsmännisch ist er vor die Kameras getreten, versöhnlich hat er geklungen, und verheißungsvoll hat er nichts weniger angekündigt als die Rettung Israels. "Mit aller Kraft", so sagt es Naftali Bennett, will er sich nun für die rasche Bildung einer Regierung der Einheit und des Wandels einsetzen. Sie soll die Wunden in Israels Gesellschaft heilen, die in der Ära des Benjamin Netanjahu geschlagen wurden. Vor allem soll sie eine neue Sachlichkeit in die Politik bringen. Und an der Spitze einer solchen Regierung kann natürlich nur einer stehen: er selbst.

In wenigen Tagen schon könnte der 49-jährige Bennett als Premierminister einer Rechts-links-Mitte-Koalition Israel regieren. In einem Rotationsverfahren will ihm der liberale Jair Lapid den Vortritt lassen. Für den Rest der Welt mag das überraschend sein. Doch dass Bennett selbst sich dazu berufen fühlt, das hat er seit seinem Einstieg in die Politik vor zehn Jahren stets verströmt.

Von oftmals bescheidenen Wahlergebnissen hat er sich dabei nicht beirren lassen. Auch bei der Parlamentswahl im März hatte seine Partei mit dem programmatischen Namen Jamina - auf Deutsch: Nach rechts - lediglich sieben der insgesamt 120 Knessetsitze gewonnen. Doch dass er es damit nun bis ins Premiersamt schaffen könnte, wird Bennett als Beleg für die eigene Cleverness und Führungsstärke dienen.

Den Weg zum Ziel hat er sich über den rechten Flügel gebahnt. Als andere noch über den Friedensprozess mit den Palästinensern redeten, legte er 2012 bereits einen Plan zur Annexion von weiten Teilen des Westjordanlands vor. Seine Devise: "Zwischen Mittelmeer und Jordan ist kein Platz für einen palästinensischen Staat." Doch solche ideologischen Fragen sollen im neuen Bündnis hintangestellt werden. "Schmerzhafte Kompromisse" müssten alle eingehen, die Rechten in der neuen Regierung genauso wie die Linken, erklärte Bennett. Von ihm wird nun das große "Wir" beschworen, das er als "Israels geheime Waffe seit seiner Gründung" beschreibt.

Zur Vereinigung des Widersprüchlichen scheint Bennett tatsächlich der geeignete Mann zu sein, qua Werdegang und Persönlichkeit. Mal tritt er als Messias auf, mal als weltlicher Macher. Seine politische Basis sind die Siedler im Westjordanland, er selbst lebt allerdings lieber mit Frau und vier Kindern im Tel Aviver Villenvorort Raanana. Mit der Kippa demonstriert er den orthodoxen Glauben und Lebensstil. Zugleich jedoch verkörpert er als Unternehmer die Start-up-Nation Israel.

In die Politik holte ihn sein großer Lehrmeister: Benjamin Netanjahu

Geboren wurde Naftali Bennett in Haifa als Sohn kalifornischer Eltern, die nach dem Sechstagekrieg 1967 nach Israel ausgewandert waren. Beim Militär diente er in der Eliteeinheit Sajeret Matkal. Nach dem Jurastudium in Jerusalem zog es ihn nach New York, wo er eine Softwarefirma gründete, die er nach nur sechs Jahren für 145 Millionen US-Dollar verkaufte. Mit 33 Jahren hatte Bennett damit finanziell ausgesorgt. Von da an sorgte er sich ums Heimatland.

In die Politik holte ihn sein großer Lehrmeister: Benjamin Netanjahu. Als Stabschef diente Bennett dem damaligen Oppositionsführer von 2006 bis 2008. Die Männerfreundschaft zerbrach angeblich an einer Frau. Sara Netanjahu, die einflussdurstige Gattin, soll mit Bennett über Kreuz geraten sein und seinen Abschied forciert haben.

Von da an herrschte Konkurrenz. Erst ließ sich Bennett zum Chef des Jescha-Siedlerrats wählen, dann übernahm er eine Siedlerpartei namens Jüdisches Heim. In mehreren von Netanjahu geführten Regierungen saß er als Minister am Kabinettstisch, mal für Wirtschaft, mal für Bildung, zuletzt für Verteidigung. Nach der jüngsten Wahl hat er lange geschwankt. Mal hat er mit Netanjahu verhandelt, mal mit dessen Gegnern um Jair Lapid. Ganz am Ende aber setzt Naftali Bennett nun an zum großen Sprung an die Spitze.

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