Islam:Gebetsruf in Köln: Warum Bedenken angebracht sind

Tag der offenen Moschee

Die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld gehört zum Verband Ditib, welcher der türkischen Religionsbehörde Diyanet untersteht.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

In der Millionenstadt am Rhein darf der Muezzin freitags die Muslime zum Gebet rufen. Das ist ein Signal der Gleichberechtigung, unbestreitbar. Doch Vorbehalte bleiben.

Kommentar von Tomas Avenarius

Wenn die Deutschen gar keinen Ausweg sehen, bemühen sie ihre Hausordnung. In der Debatte über ein Ja oder Nein zum islamischen Gebetsruf ist es die Lärmschutzverordnung. Ihre Vorschriften sollen nun zu einem toleranten Miteinander der Religionen verhelfen und zugleich einem freihändig unterstellten Expansionsdrang der Muslime Grenzen setzen.

Also darf in Köln, einer Stadt mit zwölf Prozent muslimischer Bevölkerung, einmal in der Woche der Adhan erklingen. Am Freitag zwischen zwölf und 15 Uhr, für drei, vier Minuten: "Gott ist groß und Mohammed ist sein Prophet", heißt es in dem Ruf, der die Gläubigen zum Gebet auffordert und sie darin erinnert, dass es nur den einen Gott gibt. Jedenfalls, solange die Lärmschutzvorgaben beachtet werden.

So weit, so fromm, so tolerant. Nur: Die Nachfrage der Kölner Moscheen-Gemeinden ist überschaubar. Bisher hat keine das Angebot von Oberbürgermeisterin Henriette Reker angenommen. Offenbar ist der von einem ebenso unbedarften wie selbstgefälligen Kulturromantizismus geprägte Wunsch, die eigene Toleranz laut hörbar zu machen, stärker als der Wunsch der Betroffenen, diese Toleranz zu erfahren.

In vielen deutschen Städten ertönt der Gebetsruf

Der Gebetsruf ist nicht neu in Deutschland. Er ertönt in einigen Dutzend Städten seit Langem, im nordrhein-westfälischen Düren sogar dreimal täglich. Das christliche Abendland, so es überhaupt noch existiert, geht deshalb nicht gleich unter. Es gibt starke Argumente für ein Ja zum Adhan: Die Religionsfreiheit, die Gleichstellung der muslimischen Minderheit, die Stärkung des Miteinanders der Bürger, von denen die einen Christen, die anderen Muslime und wieder andere gar nichts oder sonst etwas sind.

Es gibt aber berechtigte Vorbehalte. 900 Moscheen in Deutschland gehören zum Ditib, einem Verband, der von der türkischen Regierung gesteuert wird, der Religionsbehörde Diyanet untersteht. Der Diyanet-Chef steht gern mit dem Krummsäbel auf der Kanzel, empfängt den Taliban-Außenminister. Präsident Recep Tayyip Erdoğan selbst hat einmal ein Gedicht zitiert: "Minarette sind Bajonette, Kuppeln Helme, ... die Gläubigen Soldaten." Erdoğan steht nicht für den toleranten Islam. Er steht für den Machtanspruch einer politisierten Religion, die von Islamisten missbraucht wird wie eine weltliche Ideologie.

Der Islamismus ist seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch

Religionen sind wie Knetmasse. Man kann ihr Erscheinungsbild - und damit ihr Wirkungspotenzial - verformen. Der politische Islam mag wenig über diese Religion als solche aussagen. Aber eines ist unbestreitbar: Der Islamismus ist seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch. Und das, obwohl er schon oft totgesagt wurde.

Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wird von Islamisten als von der Kraft des Glaubens gesegneter Triumph gepriesen. Die Umwandlung der Hagia Sophia zur Moschee, die Aufstände während des Arabischen Frühlings ebenso. Das mag mit Glauben und Denken der meisten Muslime in Deutschland wenig zu tun haben. Aber für einen Islamisten ist der Adhan die tägliche Bestätigung des politischen Auftrags.

Dem Miteinander der Kulturen und Religionen tut Kölns Bürgermeisterin keinen Gefallen. Sie spielt denen in die Hände, die antimuslimische Ressentiments als politisches Instrument nutzen: Das sind die vor angeblicher Islamophobie warnenden Islamisten selbst, aber auch die Hassprediger der AfD und der anderen Rechten.

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