Süddeutsche Zeitung

Iran:Für immer Feind

Europa und die USA sollten das Atomabkommen unbedingt wiederbeleben. Aber Illusionen verbieten sich: Das Regime in Teheran wird sich niemals freiwillig dem Westen öffnen - sonst geht es zugrunde.

Von Paul-Anton Krüger

Mysteriöse Sabotage-Attacken auf Atomanlagen, die dem israelischen Geheimdienst Mossad zugeschrieben werden, ein Schattenkrieg im Nahen Osten und parallel Verhandlungen zwischen den USA und Iran: Die vergangenen Wochen und Monate wirken wie ein Déjà-vu. Auch im Jahr 2012, als die Region sich monatelang am Rande eines Krieges befand, ließ US-Präsident Barack Obama Geheimgespräche mit der Islamischen Republik führen. Sie bereiteten den Weg für das im Sommer 2015 geschlossene Atomabkommen. Und die Lage beruhigte sich. Daran will US-Präsident Joe Biden nun anknüpfen.

Sein Vorgänger Donald Trump zerriss den "schlechtesten Deal aller Zeiten", obwohl sich Iran an die Beschränkungen gehalten hatte. Er glaubte, Iran mit seiner "Kampagne des maximalen Drucks" in die Knie zwingen oder gleich das Regime stürzen zu können. Die Bilanz ist verheerend: Iran hat ungeachtet der Sanktionen sein Atomprogramm wieder massiv ausgebaut. Teherans Handlanger, Milizen in Libanon, Syrien, Irak oder Jemen, haben an Macht gewonnen, die Revolutionsgarden ihr Raketenarsenal aufgestockt. Gelitten hat vor allem Irans Bevölkerung, die nicht einmal ausreichend Zugang zu Medikamenten oder Impfstoff erhält.

Der neue US-Präsident hat nun angekündigt, das Abkommen wiederzubeleben. Das ist ein richtiger Schritt, um die Situation zu stabilisieren und zumindest eine Eskalation im Streit um das Atomprogramm abzuwenden. Aber das wird nicht leichter sein, als den ursprünglichen Deal zu schließen. Denn die Ausgangsbedingungen haben sich geändert. Die arabischen Golfstaaten haben sich offen oder zumindest kaum verdeckt mit Israel gegen Iran verbündet und wollen, dass die US-Sanktionen gegen den Rivalen in der Region bestehen bleiben. Zudem drängt die Zeit angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahl in Iran.

Europa will zeigen: Multilaterale Diplomatie funktioniert

Die Europäer tun, was sie können, um dem Abkommen wieder Geltung zu verschaffen. Sie werten es auch als Beleg für die Kraft multilateraler Diplomatie, das Gegenmodell zum Trumpismus. Sie müssen zwischen den seit vier Jahrzehnten verfeindeten Staaten vermitteln, weil der Oberste Führer, Ayatollah Ali Chamenei, direkte Gespräche mit den USA untersagt. Es gibt weder eine Erfolgsgarantie noch eine Alternative dazu. Schlägt der Versuch fehl, ist eine Verschärfung des Konflikts zu befürchten. Deren Folgen würde sich Europa nicht entziehen können.

Natürlich kann Iran mit Recht verlangen, dass die USA Sanktionen aufheben und das Land in den Genuss wirtschaftlicher Erleichterungen kommt. Die Rückkehr zum Abkommen aber wird nicht gelingen, wenn Teheran darauf besteht, dass Biden alle je von Trump verhängten Strafen wieder kassiert. Iran versucht, sein Atomprogramm zu nutzen, um sich Immunität zu verschaffen - auch in Bereichen, die mit dem Atomprogramm nichts zu tun haben. Darauf kann sich niemand einlassen. Gerade hat die EU zu Recht Sanktionen verhängt gegen Verantwortliche für die brutale Niederschlagung von Protesten gegen das iranische Regime im Jahr 2019.

Europa kann wirtschaftlich Brücken bauen und dabei an alte Pläne anknüpfen. Die EU hat einen Zahlungskanal aufgebaut, der sich im Falle einer Einigung nutzen ließe, um Transaktionen abzuwickeln. Denn große Banken dürften dagegen weiter Vorbehalte hegen, weil Iran internationale Regularien etwa zu Geldwäsche und Terrorfinanzierung nicht erfüllt. Europa könnte sich in den Wirtschaftsbeziehungen auf humanitäre Produkte wie Medikamente oder Impfstoffe konzentrieren, oder auf die Lieferung von Verkehrsflugzeugen.

Das theokratische Regime ist ideologisch ausgehöhlt

Allerdings sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Anders als die Obama-Leute glauben machen wollten, wird das Abkommen das Regime in Teheran nicht wandeln. Es ist lediglich eine technische Vereinbarung, die für eine begrenzte Zeit das iranische Atomprogramm einhegt.

Irans Feindschaft gegenüber den USA und Israel ist Teil der Identität der Islamischen Republik, ebenso wie die Ablehnung des Westens allgemein. Das theokratische Regime ist ideologisch ausgehöhlt, die revolutionären Slogans haben sich verbraucht. Ließe sich Chamenei auf eine echte Öffnung gegenüber dem Westen ein, die sich viele Iraner wünschen - es würde den Gottesstaat stärker gefährden, als es Sanktionen je vermögen. Deswegen sucht er die Kooperation mit Russland und vor allem China. Auch die Revolutionsgarden, die militärisch, politisch und wirtschaftlich mächtigste Institution im Land, können ihre Stellung nur in der Konfrontation mit dem Westen rechtfertigen.

Auch wenn die Rückkehr zum Atomabkommen gelingen sollte, würde der Westen Strategien brauchen, um Irans regionale Ambitionen einzudämmen, einschließlich des Raketenprogramms. Nimmt man das Atomabkommen als Blaupause, sind dafür Druckmittel ebenso nötig wie gezielte Angebote zur Kooperation. Fraglich allerdings ist, ob es nach der Präsidentenwahl in Iran noch Partner gibt in Teheran, die überhaupt an einem Dialog interessiert sind.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5263736
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jok
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.