Süddeutsche Zeitung

Israel:Doppelte Botschaft, doppeltes Risiko

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Nach dem Anschlag auf die iranische Atomanlage Natans muss Israel Vergeltung fürchten. Aber Gefahr droht auch mit Blick auf das Verhältnis zum engsten Verbündeten.

Von Peter Münch

Es ist ein Schattenkrieg mit reichlich Eskalationspotenzial, den sich Israel und Iran bereits seit Jahren liefern. Im Zentrum zahlreicher Attacken, die Israel zugeschrieben werden, stehen dabei die iranischen Atomanlagen. Aber auch an anderen Fronten wird gekämpft - auf hoher See ebenso wie im staubigen Syrien. Israel kommentiert das selten und verlässt sich auf die furchteinflößende Kraft der Ambiguität. Doch an seiner Effizienz in dieser Auseinandersetzung besteht kein Zweifel. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis setzt Israel Nadelstich um Nadelstich und zwischendurch mal einen Hammerschlag?

Zum Schauplatz des Konflikts ist gerade wieder Natans geworden, jene iranische Anlage zur Urananreicherung, in die 2010 bereits das Computervirus Stuxnet eingeschleust wurde und wo 2020 eine Explosion die dort montierten Zentrifugen zerfetzte. Nun wurde eine von außen bewirkte Störung bei der Stromversorgung gemeldet, für die Teheran "nuklearen Terrorismus", sprich den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad, verantwortlich macht.

Iran hat noch viele Rechnungen mit Israel offen

In der Logik des Konflikts kann Israel damit eine Botschaft gleich in zwei Richtungen aussenden. Zum einen ergeht an Iran die Erinnerung, dass dem Atomprogramm jederzeit erheblicher Schaden zugefügt werden kann. Zum anderen wird die Führung in den USA gewarnt, dass Israel allen Verhandlungsversuchen über ein neues Atomabkommen zum Trotz eigene Vorstellungen und Möglichkeiten hat, mit der iranischen Bedrohung umzugehen. Allerdings: Wer eine doppelte Botschaft aussendet, der geht auch ein doppeltes Risiko ein.

Naheliegend ist dabei die Gefahr einer iranischen Vergeltung, zumal auch noch andere Rechnungen aus jüngerer Zeit offen sind - von der Tötung des iranischen Atomwissenschaftlers Mohsen Fakhrizadeh im vorigen November bis zu Dutzenden Angriffen auf iranische Frachter in den vergangenen beiden Jahren, mit denen Israel Berichten zufolge unter anderem Irans lukrativen Ölschmuggel zu torpedieren versucht. Auch wenn allen iranischen Racheschwüren bislang eher begrenzte Aktionen folgten, sollte Israel gewappnet sein gegen Angriffe auf direktem Weg, gegen israelische Ziele irgendwo auf der Welt oder Versuche von iranischen Verbündeten in Libanon und Syrien, den jüdischen Staat zu treffen.

Israel ist nur sicher, wenn es seine Bedenken in ein Atomabkommen einbringt

Gefahren drohen Israel jedoch auch mit Blick auf das Verhältnis zum engsten Verbündeten USA unter Präsident Joe Biden. Der jüngste Vorfall in Natans wurde just in dem Augenblick bekannt, als der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin zu seiner ersten Visite in Jerusalem eintraf. Sein Besuch kann als ein Zeichen dafür gewertet werden, dass Washington die israelischen Sicherheitsinteressen und Bedenken bei einer möglichen Neuauflage des Atomabkommens mit Iran ernst nehmen will. Doch bevor darüber auch nur geredet werden konnte, wurde Austin mit einem Fakt konfrontiert, der die neuen Verhandlungen bereits im Ansatz sabotieren könnte.

Israels Angst vor einem atomaren Iran ist gewiss verständlich, die Bedrohung wäre existenziell. Doch im Alleingang wird Israel die iranische Gefahr nicht auf Dauer bannen können. Israel braucht Verbündete, und zur Konfliktlösung braucht es Diplomatie. Kurzfristig mag es Israels Sicherheit dienen, Zentrifugen in Natans lahmzulegen. Langfristig ist Israel jedoch nur dann sicher, wenn es seine Bedenken und Bedürfnisse in einem neuen Atomabkommen mit Iran zur Geltung bringt.

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