Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Expertenrat

Gremium aus 88 sorgsam ausgewählten Männern in Iran, dessen Stunde erst mit dem Tod eines anderen wichtigen Mannes schlägt.

Von Raphael Geiger

Ein Rat von Experten, das klingt zunächst ganz in Ordnung. In der Theorie könnten ihm auch Frauen angehören, dazu ist es aber in den 45 Jahren seit der iranischen Revolution noch nicht gekommen. 88 Männer also, auf acht Jahre gewählt, bilden den Rat, schon vor dem Einzug von einem anderen Gremium, dem Wächterrat, auf Eignung geprüft: Rechtsgelehrte müssen sie sein, sogenannte Mudschtahid. Die meisten tragen den Ehrentitel Ayatollah. Noch eine Qualifikation kommt hinzu, die nirgendwo steht: Loyalität zum Obersten Führer des Landes, Ali Chamenei. Der wird im April 85 Jahre alt, die Altersangabe legt nahe, dass ihm ein natürliches Ausscheiden aus dem Amt drohen könnte - seinen Nachfolger würde der Expertenrat bestimmen. Was auch schon dessen eigentlicher Zweck ist, weswegen sich die Experten mit Treffen zweimal im Jahr begnügen. Und weswegen es Chamenei sehr genau damit nimmt, wer in den Rat einzieht. Er will sicherstellen, dass kein allzu liberaler Reformer seinen Platz einnimmt. Die Wächter, eben schon erwähnt, die alle Kandidaten für den Expertenrat prüfen, ernennt gemäß der Verfassung wer? Chamenei. Jedenfalls zur Hälfte; die Übrigen nominiert der oberste Richter, den wiederum wer ernennt? Logisch, Chamenei. Demokratie kann so einfach sein.

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