Atomabkommen:Die Rückkehr der Ideologie

In Wien werden die internationalen Atomgespräche wieder aufgenommen. Scheitern sie, droht eine Eskalation in der Golfregion.

Von Paul-Anton Krüger

Die Verhandlungen über eine Rückkehr zum Atomabkommen mit Iran sind unter den durchweg wenig erbaulichen Alternativen im Umgang mit dessen Atomprogramm immer noch die beste Hoffnung. Allerdings ist fraglich, ob das Regime der Islamischen Republik, das seit der Wahl im Sommer komplett von den Hardlinern dominiert wird, noch ein ernsthaftes Interesse hat, die Vereinbarung wiederzubeleben. Das Regime in Teheran sieht die USA als geschwächt an, der demütigende Abzug aus Afghanistan gilt als Symbol für den Niedergang der einstigen Supermacht. Auch beobachten die Iraner aufmerksam, dass die USA selbst auf Drohnenangriffe auf US-Truppen im Irak nur zögerlich und zurückhaltend reagieren. Sie wissen, dass sich US-Präsident Joe Biden nicht in eine neue Auseinandersetzung im Nahen Osten ziehen lassen will.

Sich selbst wähnen Präsident Ebrahim Raisi und der Oberste Führer Ayatollah Ali Chamenei in einer Position der Stärke, obwohl das Land darniederliegt. Ideologie geht in Teheran wieder über Pragmatismus. Sie glauben offenkundig, dass sie mit der Kombination aus dem drastischen Ausbau des Atomprogramms und Maximalforderungen am meisten herausschlagen können. Die Europäer müssen Teheran jetzt klarmachen, dass sie an dem Atomabkommen nicht um jeden Preis festhalten, sondern nur dann, wenn Iran sich zügig bereitfindet, sein Nuklearprogramm wieder den Beschränkungen zu unterwerfen und vollständig mit den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde zusammenzuarbeiten.

Gelingt das nicht, liegt darin nicht nur die Gefahr, dass eine Einigung scheitert, sondern auch einer Eskalation in der Golfregion. Regionalstaaten, die sich direkt von Teheran bedroht sehen, könnten sich bald genötigt sehen, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate denken da nicht anders als Israel. Und letztlich steht auch Biden im Wort, dass er eine atomare Bewaffnung Irans nicht zulassen wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: