Innere Sicherheit:Fachgebiet mit Pfui-Image

Sind die Brandanschläge in Berlin Vorzeichen eines neuen Linksterrorismus? Diese absurde Diskussion verdeutlicht: Der Inneren Sicherheit gehen die kompetenten Wortführer aus. Kaum ein Politiker will sich noch ausführlich mit diesem Thema beschäftigen. Schließlich kann man damit nur schlecht Karriere machen.

Susanne Höll

Über Innere Sicherheit wird in Deutschland gemeinhin laut, nicht selten gar hysterisch debattiert. Der absurde Streit über die Frage, ob die Berliner Brandanschläge die Vorzeichen eines neuen deutschen Linksterrorismus sind, gehört dazu. Angezettelt wurde diese Diskussion übrigens nicht von einem Experten, sondern vom Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer von der CSU. Der musste sich dann von seinem Parteikollegen, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, flugs belehren lassen, dass es keinerlei Anzeichen für eine neue RAF gebe.

Gewaltbereite 'Antifa'

Linksradikale, Linksextreme oder  Linksterroristen? Die Grenzen sind fließend. Im Bild: Autonome aus der linken Szene im Feburar 2011 in Dresden hinter einer brennenden Barrikade.

(Foto: dpa)

Dass namhafte Politiker versuchen, ihr Profil mit möglichst scharfen Sätzen zur öffentlichen Sicherheit zu äußern, obgleich sie nicht sonderlich viel davon verstehen - das erklärt manche dieser Aufgeregtheiten. Allerdings gibt es auch immer weniger Fachpolitiker, die ihnen mit Autorität widersprechen können. Diesem Politikfeld gehen die Wortführer aus, im Bund, in den Ländern und auch im Bundestag.

So ist Bundesminister Friedrich kein Scharfmacher, sondern ein sehr freundlicher und ausgesprochen geduldiger Mensch und trägt viel dazu bei, dass der Dauerkonflikt mit der FDP nicht weiter eskaliert. Eine Autorität ist er allerdings nicht, auch weil er erst ein gutes halbes Jahr im Amt ist.

In den Ländern sieht es nicht besser aus. Jahrelang war Bayerns christsozialer Innenminister Günther Beckstein der erklärte Doyen in diesem Kreis. Seine Stimme wurde gehört, er genoss großen Respekt, auch weil er eben nicht jener harter Hund war, zu dem ihn seine Kritiker erklärten, sondern ein umsichtiger und wohltemperierter Mann.

Seither hat sich nur ein einziger Landesminister bundesweit Renommee verschaffen können: Erhart Körting, Berlins Innensenator, der seit zehn Jahren für die Sicherheit in der Hauptstadt zuständig ist. Ob man künftig von ihm noch viel hören wird, ist allerdings ungewiss. Durchaus möglich, dass in einem neuen rot-schwarzen Senat ein CDU-Mann der Chef des Innenressorts wird.

Und im Bundestag? Dort wird sich in der kommenden Woche Dieter Wiefelspütz als Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion verabschieden. Er gibt seine Aufgabe freiwillig ab, denkt im Alter von 65 Jahren langsam an den Abschied aus der Politik. Wiefelspütz und Wolfgang Bosbach von der CDU waren - und sind bis heute - die beiden erklärten Fachleute im Parlament, oft als Vielredner belächelt, allerdings zu Unrecht.

Es gibt kaum andere Abgeordnete, die sich so gut auskennen auf dem fachlich schwierigen Gebiet der Inneren Sicherheit, zumal man als Parlamentarier dort politisch wenig zu gewinnen hat. Denn dieses Gebiet ist meistens nur dann für Schlagzeilen gut, wenn ein Unglück geschah, ein Anschlag verübt wurde oder ein Behörden-Skandal Aufsehen erregt. Wer sich im Bundestag um Umweltschutz kümmert, hat es bedeutend einfacher. Dem Thema öffentlicher Sicherheit haftet ein Pfui-Image an. Nicht zufällig hat sich bisher nie ein Grüner gedrängt, in einer Landesregierung Innenminister zu werden.

Und die Parteien tragen ihren Teil dazu bei, dass die Sicherheitsbehörden nicht im allerbesten Ruf stehen. Bestes Beispiel dafür ist die Besetzung von Spitzenpositionen. Die werden gemeinhin nach Parteiproporz vergeben. Das führt beispielsweise dazu, dass die schwarz-gelbe Koalition sich bislang nicht auf einen Nachfolger für den Chef des Bundesnachrichtendienstes verständigen konnte.

Zugleich muss der Chef des Bundeskriminalamts, der hoch geschätzte Sozialdemokrat Jörg Ziercke, 2012 in den Ruhestand gehen. Gehörte er der CDU an, würde seine Amtszeit sicherlich noch einmal verlängert. Wer so fahrlässig mit der öffentlichen Sicherheit umgeht, muss sich nicht wundern, wenn sich immer weniger gute Experten für Führungspositionen finden, sei es in den Behörden, sei es in der Politik.

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