MeinungIndien und Pakistan:Der Kaschmir-Konflikt ist fast 80 Jahre alt – und wäre immer noch lösbar

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Kommentar von David Pfeifer

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Indischer Soldat am Dal-See, Kaschmir: Die UN fürchten militärische Auseinandersetzungen nach dem Terroranschlag, der 26 Touristen tötete.
Indischer Soldat am Dal-See, Kaschmir: Die UN fürchten militärische Auseinandersetzungen nach dem Terroranschlag, der 26 Touristen tötete. (Foto: Yawar Nazir/Getty Images)

Nach dem Terroranschlag mit 26 Toten liefern sich Soldaten der beiden Atommächte Schusswechsel. Zu Recht warnen die Vereinten Nationen vor einer Eskalation. Dabei sollten die Regierungen in Delhi und Islamabad etwas ganz anderes tun.

26 Menschen sind erschossen worden, auf den Wiesen des Baisaran-Tals im indischen Teil von Kaschmir. Die Attentäter haben die Männer von den Frauen und Kindern getrennt und exekutiert, wenn sie nicht in der Lage waren, islamische Verse aufzusagen. 26 Familien sind traumatisiert, die Täter flüchtig, vermutlich untergetaucht im pakistanischen Teil der Region. Ihre Attacke war insofern erfolgreich, als dass die Menschen in Indien erschüttert sind und die ganze Welt wieder daran erinnert wurde, warum Kaschmir ein ungelöstes politisches Problem ist.

Empörte Dementis aus Islamabad

Nun eskaliert es zwischen Indien und Pakistan fast schon nach einem Muster, das man seit der Trennung von Britisch-Indien 1947 in die zwei verfeindeten Bruderstaaten kennt.  Delhi beschuldigt die Regierung in Islamabad, den Terrorismus in Kaschmir zu finanzieren, was nicht bewiesen ist, sich aber plausibel anhört, auch waren mindestens zwei der Täter Pakistaner. Aus Islamabad kommen empörte Dementis, die nach all den Jahrzehnten, in denen Terroristen sich immer wieder auf pakistanisches Staatsgebiet zurückziehen konnten und von dort ihre Attacken planten, auch etwas abgestanden klingen. Pakistan ließ den Luftraum für indische Fluggesellschaften sperren, was ärgerlich, aber beherrschbar ist. Indien wiederum hat den „Indus Water Treaty“, den Indus-Wasservertrag, ausgesetzt, was vor allem die Bauern in Pakistan unter Stress setzten könnte, denn der Indus speist die wichtigsten Ströme des Landes.

Indische und pakistanische Soldaten lieferten sich nach Angaben beider Seiten einen Schusswechsel im Grenzgebiet. Zivilisten waren nicht betroffen, die Regierungen machten sich gegenseitig verantwortlich, die Vereinten Nationen mahnten zu „maximaler Zurückhaltung“. Das war angemessen, weil die beiden mittlerweile atomar bewaffneten Länder früher schon Kriege um Kaschmir geführt hatten. Es wäre aber nicht in ihrem Interesse, es wieder so weit kommen zu lassen. Das muslimische Pakistan befindet sich ohnehin in einer wirtschaftlich prekären Lage und hat ein massives Terror-Problem im eigenen Land. Indien will weiterwachsen und sich als Weltmacht etablieren, die als Mittler zwischen dem globalen Süden und Norden auftritt.

Die Regierungen spielen lieber das „Blame Game“

Wenn man beide Länder kennt, vor allem auch die Neugier der jeweiligen Einwohner auf die Lebensumstände auf der anderen Seite, dort, wo man so schwer hinreisen kann, wohin es aber teilweise noch familiäre Verbindungen gibt, fragt man sich, warum es in bald 80 Jahren nicht möglich war, zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Es wirkt so, als würden die Regierungen mit all dem Säbelgerassel vor allem vom eigenen Versagen ablenken. Indien und Pakistan teilen Kultur und Geschichte, sie teilen sich sogar Flüsse. Ihre Grenzen sind nicht naturgegeben, sondern wurden 1947 von den abziehenden Briten so hinterlassen, ein Ergebnis falscher Entscheidungen und militärischer Konflikte.

Daraus ein friedliches Miteinander zu machen, wäre nach wie vor die wichtigste politische Aufgabe in beiden Ländern. Doch in Delhi und Islamabad spielt man lieber das „Blame Game“, in dem man dem jeweils anderen die Schuld zuweist. Zurück bleiben 26 Familien, die garantiert unschuldig sind, die Urlaub machen wollten und nun miterleben müssen, wie ihre Tragödie benutzt wird, um politisch zu poltern.

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