Indien:Modi, der Profi

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Der Premier in Delhi hat sich rechtzeitig vor einer wichtigen Wahl befreit - von der Last der Vergangenheit.

Von David Pfeifer

Die meisten Menschen interessieren sich mehr für die Zukunft als für die Vergangenheit. Da machen die indischen Wählerinnen und Wähler keine Ausnahme. Es sah im vergangenen Jahr so aus, als könne die Strahlkraft von Premierminister Narendra Modi verblassen. Mit schlechten Nachrichten konnte er nicht gut umgehen; als in der Pandemie das große Sterben losging, war von ihm nichts mehr zu hören und zu sehen. Als Bauern die Zufahrtstraßen nach Delhi blockierten, wegen einer verunglückten Agrarreform, verweigerte er den Dialog. Seine Zustimmungswerte gingen runter. Doch Modi weiß um die Mechanismen seines Geschäfts, man kennt diese Technik: auch offensichtliche Fehler auf keinen Fall zugeben, sich nicht entschuldigen, weil das als Eingeständnis gewertet werden könnte. Im schlimmsten Fall warten, bis man wieder aus einer Position der Stärke argumentieren oder gute Nachrichten verkünden kann. Dank dieses Rezepts geht er nun offenbar siegreich aus der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh hervor.

Als der Wahlkampf im Herbst losging, war Modi wieder da, er zog die Agrarreform zurück, gab allerdings auch den Bauern die Schuld an der Eskalation. Er wollte das Thema beenden, und das gelang ihm. Er setzte auf seine Evergreens: Zum Beispiel müssten sich die Hindus vor der diffusen Bedrohung einer wachsenden muslimischen Minderheit in Acht nehmen. Modi sprach von der Wirtschaft, die man wieder ankurbeln müsse, um Indien groß zu machen. Seine Regierung verschenkte Weizen und Reis in armen, von der Pandemie besonders geplagten Regionen; vor allem in Uttar Pradesh. Und die staatliche Impfkampagne, die irgendwann doch noch ins Rollen kam, wurde landauf, landab mit seinem Konterfei beworben. So war er nicht mehr für die Toten verantwortlich, sondern für die Lebenden. Rechtzeitig verkündete Modi also Perspektiven. Das genügte, um die vergangenen zwei Jahre vergessen zu machen.

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