Süddeutsche Zeitung

Profil:Karim Asad Ahmad Khan

Künftiger Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof.

Von Paul-Anton Krüger

Es sollte "keinen besseren Ort auf der Welt für einen Anwalt, Ermittler, Analysten oder anderes Personal geben, das sich für internationale Gerechtigkeit einsetzt", schrieb Karim Asad Ahmad Khan in seiner Bewerbung. Am 16. Juni löst er nun Fatou Bensouda als Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof (ICC) ab. Die neunjährige Amtszeit - ohne Möglichkeit einer Wiederwahl - wird für den 50 Jahre alten, an der Universität Oxford promovierten Briten die mit Abstand größte Herausforderung seiner Juristen-Karriere.

Zugleich wird sie darüber entscheiden, ob das Gericht in Den Haag der Aufgabe gerecht werden kann, weltweit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden - oder ob die auf dem Papier wichtigste Instanz zur Durchsetzung fundamentaler Menschenrechte weiter an Durchsetzungskraft und damit Bedeutung einbüßt. Seit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2002 hat der Gerichtshof nur neun Verurteilungen ausgesprochen, er gilt als bürokratisch und teuer, die Verfahren dauern lange. Aus Afrika kommt Kritik, das Gericht fokussiere sich zu stark auf Menschenrechtsverletzungen in schwachen Ländern, lasse hingegen mächtige Staaten unbehelligt.

Der Chefankläger ist die zentrale Figur am Gericht

Der Chefankläger bekleidet die Schlüsselrolle am Gerichtshof. Er wählt die Fälle aus, die er vor den insgesamt 18 Richtern zur Anklage bringt, er leitet die Ermittlungen - und ist damit auch Ziel politischer Pressionen. Unter Präsident Donald Trump belegten die USA seine Vorgängerin Bensouda mit Sanktionen, um eine Untersuchung zu Afghanistan abzuwenden, bei der US-Soldaten hätten verfolgt werden können. Russland will Ermittlungen zu den Kriegen in Georgien und vor allem der Ukraine verhindern, China eine Befassung mit den Verbrechen an den Uiguren. Und Israel macht Front gegen ein mögliches Verfahren wegen des Gaza-Kriegs 2014 und die vom Gericht jüngst festgestellte Jurisdiktion über die Palästinensergebiete. Wie jene drei UN-Vetomächte hat auch Israel das Römische Statut nicht ratifiziert, das 1998 den Gerichtshof begründete.

Obwohl kaum jemand Khans Qualifikation in Zweifel zieht, wurde er nicht wie alle bisherigen Chefankläger im Konsens der 123 ICC-Mitgliedstaaten benannt. Sondern er setzte sich am Freitag im zweiten Wahlgang mit 72 Stimmen gegen Konkurrenten aus Irland, Spanien und Italien durch. Vorausgegangen war ein monatelanges Gerangel. Vorbehalte gab es unter anderem, weil bereits ein Richter am ICC und der Verwaltungschef des Gerichts Briten sind. Das Bewerbungskomitee sah auch ein Risiko, dass Khan sich in künftigen Prozessen für befangen erklären muss, weil er in früheren Verfahren am Gerichtshof als Verteidiger aufgetreten war.

Er verteidigte Gaddafi junior

Khan ist Anwalt seit 1992, er hat sich einen Namen gemacht in der internationalen Gerichtsbarkeit: Er arbeitete als Berater der Anklage bei den UN-Tribunalen für Jugoslawien und Ruanda. Zu den Angeklagten, die er am ICC verteidigte, gehörten Saif al-Islam Gaddafi und auch Kenias Vizepräsident William Ruto; außerdem vertrat er Opfer von Menschenrechtsverbrechen. 2018 berief ihn UN-Generalsekretär António Guterres in sein derzeitiges Amt als Leiter der UN-Mission, die im Irak die Verbrechen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) untersucht.

Ein Komitee, das die Kandidaturen bewertete, beschrieb Khan als "charismatischen und redegewandten Kommunikator", der sich seiner Erfolge durchaus bewusst sei. Er gilt als harter, entschlossener und kluger Anwalt. Juristen-Kollegen bescheinigen ihm, ein enormes Arbeitspensum zu investieren und heben seine Fähigkeiten hervor, neben der juristischen auch die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen seiner Fälle zu durchdringen - das wird er brauchen, wenn er den gewaltigen Erwartungen gerecht werden will, die sich an ihn richten.

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