Aktuelles Lexikon:Hofnarr

Wenn Schwerenöter Frauenherzen brechen wollen, griffen sie einst zur Mandoline. Später demokratisierte sie sich zur "Geige der Arbeiter". (Foto: Imago/Imago/Heritage Images)

Mittelalterliche Figur, vom Schauspieler Walter Sittler zur Renaissance empfohlen.

Von Detlef Esslinger

Der Schauspieler Walter Sittler hat am Montag seinen 70. begangen, Glückwunsch auch noch von hier aus, aber Walter den Weisen wird man ihn vorerst nicht nennen. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte Sittler aus diesem Anlass, Politiker sollten Hofnarren anstellen, um stets auf dem Laufenden zu sein, was ihre Wähler denken. Richtig an dieser Forderung ist, wie der Schauspieler die Aufgabe des Hofnarren beschreibt. Diese bestand im Mittelalter darin, dem Fürsten die Wahrheit über alles in dessen Reich zu liefern. Anderen wäre dies womöglich als aufrührerisches Gerede ausgelegt worden, bei ihm konnte der Fürst immer sagen: "Er ist ja nur ein Narr", das Gesicht des Herrschers blieb also gewahrt. Indem Walter Sittler nun Politikern zu Hofnarren rät, zeigt er, dass er entweder ein recht mittelalterliches Bild von Ersteren hat, oder dass ihm das Klischee des entrückten Politikers nicht zu billig ist. "Wenn ich verantwortlich wäre, würde ich das machen." Vielleicht reichte es schon, in die Kalender der Abgeordneten daheim in Stuttgart zu blicken: Firmen-, Weihnachtsmarkt-, Rotkreuz-, Ortsverband- und Schulbesuche - Sittler kann ja gerne mal das Mitlaufen wagen und sich danach den MdBs Mörseburg (CDU) und Özdemir (Grüne) als Hofnarr andienen. Wenn er dann immer noch meint, so einen bräuchten sie.

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