Cornelia Weigand weiß nicht, wie oft sie den Satz gehört hat, wie oft ihr das versprochen wurde, "schnelle Hilfe", von der Ministerpräsidentin, von der Bundeskanzlerin, die noch einmal ins Ahrtal kam, um zu schauen, wie viel Erde gesiebt ist, wie viel Schutt sich noch in den Vorgärten türmt. Wie schnell es wirklich geht.
Schnell?
Die Verbandsgemeinde Altenahr liegt an einem Fluss, von dem die Menschen erzählen, sein Wasser sei so klar, dass Blumen darin wachsen. Sie sagen dann "die Ahr blüht". Vor acht Wochen hat die Ahr geflutet: 134 Tote, 766 Verletzte, drei Vermisste. Der materielle Schaden liegt allein in Rheinland-Pfalz bei 18 Milliarden Euro.
Cornelia Weigand, 50, war eine der Ersten, die nicht im Schock verharrten. Mit anderen Bürgermeistern hat sie einen offenen Brief geschrieben: "Wenn wir das Ausmaß der Zerstörung sehen, ist klar, dass all die bisherigen Hilfen und deren Organisation nicht ansatzweise ausreichen werden." Sie forderten einen Sonderbeauftragten beim Bund, der sich um den Aufbau des Ahrtals kümmert. Eine Lösung für die Menschen, die in ihren Häusern bleiben konnten, aber deren Gasheizungen kaputt sind. Dass Brücken aufgebaut werden, dass Tourismus und Weinbau unterstützt werden, Orte wie Dernau und Mayschoß, bekannt für steile Schieferhänge.
Weigand ist auf Sylt geboren und hat in Bonn Biologie studiert. Als Naturwissenschaftlerin weiß sie, dass es auf schwierige Fragen keine einfachen Antworten geben kann. Wie viele Rückhaltebecken braucht die Ahr? Wie kann das Tal wieder aufgebaut werden? Ihr Studium helfe ihr, sagt sie am Telefon, weil sie manche Zusammenhänge besser verstehe. Wenn 2016 Jahrhunderthochwasser war und 2021 Jahrtausendhochwasser, dann wird die nächste Flut nicht erst in tausend Jahren kommen. Noch viel konkreter als die nächste Flut ist die nächste Jahreszeit. Es wird Winter. Auch deshalb ist Weigand, 2019 als parteilose Kandidatin gewählt, nicht nur oberste Verwaltungschefin, sondern auch oberste Tempomacherin.
Die Bedürfnisse der Betroffenen sind sehr unterschiedlich
In manchen Orten kommt Strom aus der Leitung, in anderen rattern noch Generatoren. In manchen Orten fließt Brauchwasser aus den Hähnen, in anderen müssen die Menschen ihre Kärcher an Wassertanks füllen. Die Verbandsgemeinde ist wie ein Mosaik, und kein Teil gleicht einem anderen.
Und sicher, sagt sie, es ist gut, dass Bundestag und Bundesrat die 30 Milliarden beschlossen haben. Aber manche Menschen wissen schon, dass sie aufbauen werden, da ist das Erdgeschoss getrocknet und sie könnten tapezieren. Denen würde ein erster Abschlag helfen. Andere warten nicht auf Geld, sondern auf Informationen: Wird ihr Grundstück Überschwemmungsgebiet? Weigand sagt, eine erste Diskussionsgrundlage sei für Ende August angekündigt worden, nun werde es wohl Ende September. Die Menschen würden ungeduldig.
Gerade kümmert sie sich um 60 Tiny Houses für ihre Verbandsgemeinde, das wären 60 Haushalte, 120 bis 150 Menschen, die dort im Winter unterkommen könnten, wenn sie möchten. Lange sei nicht klar gewesen, ob das Land die Häuser bezahlt, nun ist nicht klar, ob es über Spenden finanziert werden kann, sie wartet seit Tagen darauf, den Auftrag vergeben zu können. Wieder einmal.
In den vergangenen Wochen hat Cornelia Weigand mit Menschen gesprochen, die 18 Stunden auf ihren Dächern ausharrten und nicht wussten, ob der Pegel weiter steigt. Mit Menschen, die erst jetzt verstehen, wie viel sie wirklich verloren haben. Überhaupt redet sie gerade ständig, mit Betroffenen, mit Firmen, Ministerien, Komitees. Weigand ist Marathonläuferin und hat diesen Vergleich oft gebracht, der Wiederaufbau als 42-Kilometer-Strecke, der Tempo und Ausdauer gleichermaßen braucht. Gerade, sagt sie, seien sie an der ersten Verpflegungsstation.