Süddeutsche Zeitung

Telegram:Geht doch

Das Netzwerk wirft Attila Hildmann hinaus. Ausgerechnet jetzt.

Von Christoph Koopmann

In einer idealen Welt wäre das keine Nachricht, sondern eine Selbstverständlichkeit: Telegram hat Attila Hildmann das Wort abgeschnitten. Beinahe zwei Jahre lang hatte der vormalige Vegankoch dort Corona-Verschwörungsfantasien ausgebreitet, sich in Hetztiraden über Merkel, Scholz oder Drosten ausgelassen und Judenhass ausgekippt. Bei praktisch jedem anderen sozialen Netzwerk wäre Hildmann mit höchster Wahrscheinlichkeit längst geflogen. Bei Telegram nicht.

Für Hildmann war es immerhin schon ein Stoß, als im vergangenen Juni plötzlich der Zugang zu seinem Telegram-Hauptkanal (mit 100 000 Followern) bei Google und Apple gekappt war. Doch über die Web- sowie die Desktopversion konnte Hildmann weiterhin senden. Jetzt sind auch seine Telegram-Ersatzkanäle gesperrt, auf jedem Weg. Auffindbar sind nur noch solche, die er seit Monaten nicht benutzt hat.

Von Telegram war zunächst nichts über die Hintergründe zu hören, wie überhaupt lange Zeit nichts von den Betreibern zu hören war über all die Hetzer, die sich auf ihrem Netzwerk herumtreiben. Erst vergangene Woche gelang es der Bundesregierung zum ersten Mal, mit Verantwortlichen der Firma über mutmaßliche Verstöße gegen deutsches Recht zu sprechen.

Auch wenn Kausalschlüsse sich in Ermangelung näherer Informationen verbieten: Interessant ist es schon, dass Telegram erst jetzt zum Gespräch bereit ist, da die Bundesregierung öffentlich mit bis zu 55 Millionen Euro Strafzahlungen und, für die Betreiber noch dramatischer, gar Sperrung droht; dass es die Kanäle von Deutschlands Top-Verschwörungsfantast ausgerechnet jetzt vom Netz nimmt. In anderen Telegram-Foren wird unterdessen weiter wild gehetzt und zu "maximalem Widerstand" aufgerufen. Es würde Telegrams Glaubwürdigkeit nicht schaden, entdeckte es eine gewisse Strenge auch abseits prominenter Namen.

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