Handel:Runter von der Zuschauertribüne

Europa hat sich lange damit begnügt, die Globalisierungsgewinne einzukassieren. Trump, China und Corona zwingen jetzt zum Umdenken.

Von Claus Hulverscheidt

Wären die Zeiten andere, würde man wohl erstaunt die Stirn in Falten legen ob der ungewöhnlich deutlichen Worte, die die EU-Kommission in ihrer neuen handelspolitischen Strategie gefunden hat. Regelverstöße und unfaire Geschäftspraktiken anderer Staaten will man sich nicht mehr bieten lassen, dafür umso entschlossener für die eigenen Werte und Interessen eintreten, etwa für mehr Autonomie bei der Herstellung wichtiger medizinischer Güter. So viel Selbstbewusstsein war selten in Brüssel.

Bei genauerem Hinsehen jedoch entpuppt sich die scheinbare Demonstration der Stärke eher als Notfallstrategie, die vor allem eine Reaktion darauf ist, was in und um Europa herum passiert. Die Strafzölle Donald Trumps, das rücksichtslose Machtstreben Chinas, die Corona-Krise, die die Grenzen von Outsourcing und Arbeitsteilung aufgezeigt hat: All das hat den Verantwortlichen in Brüssel vor Augen geführt, wie anfällig das auf Spezialisierung und Freihandel ausgelegte europäische Wirtschaftsmodell ist.

Die EU muss die Globalisierung künftig viel aktiver selbst mitgestalten, statt nur die Hand aufzuhalten und einen Teil der Gewinne einzustreichen, wie das gerade der Exportweltmeister Deutschland gerne tut. Die Kommission hat dafür - aus der Not heraus - jetzt zumindest eine Grundlage geschaffen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: